Montag, 3. Dezember 2007

Zitat des Monats

«Dass die atheistischen Wissenschaftler ihr eigenes Berufsethos bei der Behandlung des Themas verraten, ist eine ihrer Schwächen. Die andere ist, dass sie sich Gegner weit unter ihrem Niveau aussuchen. Je dümmer die Meinungsäusserung eines Gläubigen, je hanebüchener ein religiöser Unsinn, desto höher rangiert dies auf ihrer Empörungsskala. Nicht anders als die Fundamentalisten, nehmen sie die Bibel wörtlich, in Unkenntnis der Tradition einer metaphorischen Lektüre, für die bereits der Kirchenvater Augustinus im 5. Jahrhundert plädiert hat. Weder sind die neuen Atheisten mit den Werken solch prominenter Gegner vertraut noch mit denen ihrer eigenen Ahnen – von Voltaire über Schopenhauer bis zu Nietzsche findet sich nahrhaftere Lektüre für Leute, die an Gott nicht glauben oder mit ihm hadern.
Es ist das Schicksal der atheistischen Bewegung, dass ihre Geschichte so lang wie erfolglos ist. Was Wissenschaftler im Besonderen angeht, zeigt ihr Interesse an Religion ein Muster.
Eine erste Welle erfolgte, als Darwin 1859 sein epochemachendes Werk über «Die Entstehung der Arten» publizierte, eine zweite in den 1930er- und 1940er-Jahren, als mit der Quantenmechanik der Zufall Einzug in die Natur hielt, und die dritte erleben wir heute im Rahmen der Kontroverse um das sogenannte Intelligent Design.
Diese neue Variante des religiös motivierten Kreationismus hat zu Recht die Wissenschaftler auf den Plan gerufen. Doch sie tun der Sache einen schlechten Dienst, wenn sie im Kampf dagegen ihre Kompetenzen überschreiten. Die Behauptung, die Welt sei in sechs Tagen geschaffen worden, kann wissenschaftlich zweifelsfrei widerlegt werden. Die Frage, ob das Universum einen Sinn habe oder nicht, lässt sich nicht mit denselben Methoden beantworten, und wer beides durcheinanderbringt, macht einen Kategorienfehler. Der Darwinismus vermag zu erklären, wie aus Einfachem Komplexes entsteht; die letzte Welterklärung, wie aus nichts etwas entstanden ist, fällt nicht in seine Domäne. Es gehört zu den Paradoxien des Verhältnisses von Wissenschaft und Religion, dass es ein Priester war, der die These vom Urknall aufstellte, auf der die Physiker nun ihre Theorien bauen. Christliche Theologie hat der aristotelischen Naturphilosophie die kritische Beobachtung entgegengestellt und der Wissenschaft zur Blüte verholfen. Damit hat sie auch den Zweifel in sein Recht gesetzt – eine Tugend, von der die neuen Atheisten sich frei wissen.»

(Peter Hafner n DAS MAGAZIN 2007/48)

Keine Kommentare: