Samstag, 11. September 2010

Eine Frage des Standpunkts

Letztlich ist alles eine Frage des Standpunkts. Wir sind eingeschlossen in die Schreckenskammer unserer Determiniertheit. Wir beurteilen alles von der Warte unserer Geprägtheit aus. Das ist gewiss eine banale Erkenntnis, aber eine Erkenntnis, die wahrlich keine Konsequenzen hat. Niemand zieht seine Schlüsse daraus - und schon gar nicht leitet jemand daraus konkrete Folgen für sein persönliches Lebens ab. Ich übrigens auch nicht.

Aber zumindest ahne ich, dass ich nicht recht habe, dass "Wahrheit" eine Illusion ist. Es gibt keine Wahrheit, nur subjektive Standpunkte.

Aber wie kann man so leben?

Leben kann man so schon, aber man kann nicht funktionieren. Es ist eine Lebenshaltung, die man sich allenfalls in dieser Radikalität kurz vor dem Ableben leisten kann.

Ein Erfolgsrezept kann man als leidlich gesunder Mensch schwerlich daraus ableiten.

Was folgt daraus? Allenfalls schaffst du es, als Komödiant über die Runde zu kommen. Aber du musst gut sein, Schlitzohr. Sonst glaubt dir keiner, woran du selbst zweifelst.

Sonntag, 5. September 2010

Schicksal oder Zufall

Mein Leben ist immer so verlaufen, wie es wollte. Es hat sich meinem Willen entzogen. Ich war nicht sein Herr. Ich bin nicht sein Herr. Und ich werde nicht sein Herr sein. Allenfalls und eher noch seine Dame. Ich bin die Dame meines Schicksals. Klingt doch nicht übel, oder?
Insofern ist der heutige Machbarkeitswahn, der allerorten Urständ feiert, für mich ein Witz. Ein modernes Märchen. Aber kein sehr erbauliches. Ein ziemlich jämmerliches sogar. Eine Blähung des Zeitgeistes, sozusagen. Ein Furz der Effizienzhuberei, eine unsichtbare Hand des freien Marktes. Eine späte und ziemlich ungeniessbare Frucht des Fortschrittglaubens etc. etc.
Glaubt nicht den Worten der Politiker, meine Brüder und Schwestern, auch nicht der Politikerinnen, auch nicht dem grimmig positiv gestimmten Unternehmertum, das behauptet, jeder sei seines Glückes Schmid.
Ich behaupte: Schicksal. Oder Zufall. Oder beides. Oder was auch immer.
Nein, wir haben es nicht in der Hand, unser Glück.
Glaubt nicht den Vernünftigen, hört auf die Dichter.
Zum Beispiel auf Paul Auster. In seinem Buch "Nacht des Orakels" geht es um den Zufall. Oder um das Schicksal. Und darum, dass es keinen Ausweg gibt. Am Ende landen wir in einem geschlossenen Raum unter der Erde, die Tür ist zu, und wir haben den Schlüssel draussen vergessen, aus Tüteligkeit oder weil es eben so sein musste. Oder hören wir auf Kafka und seine Strafkolonie. Und auf seine Strasse, die stets enger wird, zum Weg und schliesslich zum Pfad, während gleichzeitig die Mauern links und rechts immer höher werden.
Hört mir doch auf mit diesem idiotischen positiven In-die-Zukunft-Schauen. Die Verkennung der Realität, das Ausschliessen all dessen, was uns an Hilflosigkeit, Hinfälligkeit, Krankheit und Tod erinnern könnte, aus dem öffentlichen Bewusstsein, hat etwas ausgesprochen Würdeloses. Etwas Kindisches wie die idiotische politische Korrektheit, die die deftigen Realitäten des Daseins aussperren will, oder einsperren, oder vielmehr eliminieren.
Buddha konnte nicht erleuchtet werden, als man sein Bewusstsein einsperren respektive die Realität von seinem Bewusstsein aussperren wollte. Als behüteter Prinz konnte er nicht erkennen. Er war unglücklich, weil er vom Leben abgetrennt war, weil er aus dem Leben ausgesperrt war. Ohne Leiden gibt es keine Erkenntnis und damit auch keine Freiheit.
Wir sind weniger als Hauch, ein Darmwind angesichts der wahren Dimensionen der Zeit und des Raums. Unsere einzige Chance, uns ein wenig Respekt zu verschaffen, besteht vielleicht darin, unsere absolute Bedeutungslosigkeit zu erkennen. Wenn wir es zulassen, kännen wir allenfalls ein klitzekleiner Teil des Ganzen sein.
Darin läge dann eventuell auch ein bisschen Glück.