Samstag, 8. Dezember 2007

Buddha in Wien





Anfang 1979 hat Felix zwischenzeitlich eine Affäre mit Toni, aber er lebt sowieso äusserst unmonogam (Toni, das wäre eine Geschichte für sich, aber die lassen wir hier mal schön bleiben, dieser ganze Text wuchert sowieso schon wie ein tropisches Gewächs). Es ist noch immer die Zeit der so genannten «freien Liebe», die mit Flower Power und Woodstock und «Make Love, not War» anfängt und die mit den ersten als solche identifizierten Aidsfällen abrupt gestoppt wird, es ist also noch immer die Zeit von «Love, Peace and Happiness», die sich aber vor allem in der querbeet oder auch querbett oder auch queerbett manchmal rudelweise, manchmal auch nur zu zweit praktizierten Kopulation und in der Praxis von anderen Schweinigeleien äussert. Felix arbeitet neben dem Studium als Nachtportier im Hotel «Pergola», zwei oder drei Nächte die Woche. In der Nacht vor seiner Abreise nach Wien hat er ebenfalls im Hotel Dienst, und am Morgen des ersten März packt er seinen Koffer fertig. Er ist zu aufgeregt, um zu schlafen. Um ein Uhr kommt Toni, erst essen sie in der WG etwas, dann gehen sie an die Brunngasse in der Berner Altstadt, wo Toni zusammen mit dem kantonalen Denkmalpfleger wohnt und wo sie es ein letztes Mal vor der Abreise zusammen treiben. Später verabschiedet sich Felix von seinen WG-Kolleginnen und -Kollegen an der Effingerstrasse bei einem Glas Asti Spumante. Toni und Judith begleiten ihn anschliessend zum Bahnhof. In Burgdorf steigt Madleine – eine Kommilitonin von Felix, die ebenfalls ein Auslandsemester in Wien vor sich hat – zu und in Zürich wechseln sie in den Schlafwagen des von Basel kommenden «Transalpin»: Felix schläft ein mit einem Librium und hat Alb- und Verlassenheitsträume.

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Buddha in Wien
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In Wien zieht Felix zunächst ins Hotel Wolf und versucht, sich spazierenderweise die Stadt zu erschliessen, sie sich einzuverleiben oder zumindest sich an die fremde Stadt zu gewöhnen, die etwas trist ist zu dieser Jahreszeit; das tut er zusammen mit Madleine oder allein, sie besuchen den Prater, das Schloss Schönbrunn, die Schatzkammer, den Dom, die Hofburg, das Belvedere, sie essen Griechisch, dann wieder Pizza, und sie sehen im Kino «Moonraker», den neuesten James Bond. Natürlich gehört für Felix zur Erkundung der Stadt auch ein erster Besuch der Schwulenlokale, selbstredend ohne Kommilitonin Madleine. Die Wiener Schwulenszene scheint wie aus einem anderen Jahrhundert mit den Gesichtskontrollen an den Eingangstüren der klandestinen Bars. Felix quält sich mit dem Uni-Administrations-Amtschimmel herum, der vielleicht in Wien noch etwas lauter wiehert als anderswo, und er sucht ein Zimmer, ein Unterfangen, das für ihn, anders als für die wohlerzogen und adrett wirkende Madleine, zunächst erfolglos verläuft. Das macht Felix extrem nervös. Einige Tage später findet er doch noch eine Bleibe, in einer WG an der Kreuzgasse 27 im achten Bezirk. Felix zieht es im Übrigen nicht gerade oft an die Uni mit ihren Vorlesungen, dafür wie magisch immer wieder in die schwulen Bars und Discos. Er ist hier Frischfleisch und wird entsprechend umschwärmt wie eine Glühbirne, was ihm natürlich gefällt. Er lässt sich mit diesen und jenen Typen ein, von denen er sich am Morgen jeweils gern wieder verabschiedet.

Die meisten Vorlesungen – zum Beispiel eine langfädige, langweilige Stunde über Oswald von Wolkenstein – sind natürlich wesentlich uninteressanter als es das Studium des Lebens im Ausgang es ist. Wir finden hier aber doch nachträglich bemerkenswert, dass Oswald von Wolkenstein 1378 im zarten Alter von zehn Jahren sein Elternhaus verliess, um als Knappe zu dienen und die Welt zu bereisen: Mehrere Jahre lang ist Oswald, wohl im Gefolge eines fahrenden Ritters, in verschiedenen Ländern unterwegs. Für den Sohn eines Edelmanns war dies damals üblich. Beachtenswert ist aber, wie umfassend er die Welt kennengelernt hat: Preussen, Rumänien, die Türkei, Persien, Ungarn, Böhmen, Spanien stehen auf seinem Reiseprogramm; im «Hauensteinlied» nennt er noch weitere Länder. Aber dies nur nebenbei und auch nur deshalb, weil es hier um die Reiserei geht. Felix ist also oft im Ausgang und selten an der Uni, und dazwischen erkundet er als guter Tourist weitere, auch weniger bekannte Sehenswürdigkeiten der Stadt, er besucht kulturelle Anlässe, zusammen mit Bekannten aus der Schweiz, mit neuen Bekannten von der Uni oder auch allein, Theatervorstellungen, Opernaufführungen, Ausstellungen, den Naschmarkt und die «Jazzspelunke» an der Dürergasse, ein Lokal, das es heute noch gibt. Er besucht zum Beispiel eine Veranstaltung, an der «Videoart» gezeigt wird, eine Art «Verwandlung» von Musik in Formen und Farben, das hat mit irgendeiner brandneuen Computertechnik zu tun und ist ganz interessant. Auch Martin, ein Mitbewohner von Felix, der sich selbst als Künstler bezeichnet, zeigt an diesem Anlass sein Videotape. Das Publikum an dieser Veranstaltung findet Felix allerdings grauenhaft. Nicht ganz durch Zufall verschlägt es ihn auch in ein Lokal, in dem er Haschisch kaufen kann, das «Baron Drawnidtschek» (das es unserer Wissens heute nicht mehr gibt).

An einem Abend gegen Ende März raucht Felix erst einmal Shit, bevor er sich Richtung Hydepark aufmacht, das Lokal in seinem Delirium aber eine ganze Weile nicht findet, sondern sich wortwörtlich im Kreis dreht. In der Disco macht sich erst Michi, ein zwanzigjähriger Wiener, an ihn heran; dann schmust Felix ziemlich lange mit einem zuckersüssen Bengel aus Thailand, dem er dann auch seine Telefonnummer gibt, die er allerdings falsch im Gedächtnis behalten hat. Felix hat ein katastrophales Zahlen- und ein noch viel löcheriges Namensgedächtnis. Anschliessend marschiert Felix mit Michael Richtung 8. Bezirk. Michi will Felix zu sich einladen, doch dieser zieht es vor, in seinem Zimmer allein ein Chillum zu rauchen. Am nächsten Tag nimmt Felix, um sein Gewissen zu beruhigen, wieder einmal an einer nicht sehr interessanten Vorlesung teil, bevor er sich am Mittag mit Michi in der Mensa der Uni trifft. Abends sehen sie sich zusammen einen Film von Rosa von Praunheim im Filmmuseum an. Der Film dokumentiert das Leben des New Yorker Underground-Stars Tally Brown. Tally Brown singt «Heroes», den David Bowie-Titel, und «Love In Vain» von den Rolling Stones. Auf ihren Wegen in Manhattan, in Las Vegas, in Miami erzählt die Sängerin von ihrer Karriere, von ihrem Entdecker (Leonard Bernstein) und von ihrer Mutter. Ihre Freunde, Stars des New Yorker Underground, werden vorgestellt; Holly Woodlawn singt «Dr. Jazz». Vor der Skyline von Manhattan erklärt Tally Brown ihre Liebe zum «Big Apple», während die Kamera eine Reihe von Hochhäusern heranzoomt. In der abendlichen Dämmerstunde sorgt die grosse Reklametafel am Times Square für Atmosphäre. In einem langen langsamen Schwenk taucht die Kamera in die Tiefe, vorbei an Pornokinos, Peepshows, Imbissständen, Passanten, Geschäftsleuten, Pennern. In einer Nachtbar sieht man hinter einem Mikrofon einen Haufen schwarzer Kleider und sonst nichts. Ein Klavier spielt im Off. Tally Brown steht auf und singt, mit ihrer Bluesstimme, David Bowies «Heroes». Die Kamera zoomt wiederum im Schneckentempo die Sängerin heran. Man erkennt jetzt, wie aufgedunsen, fett und hässlich sie ist. Sie hat grauenhafte Zähne, die Lippen sind grell geschminkt, die Augen schwarz zugeschmiert. Sie singt: «We could be heroes/just for one day». Die Kamera ist jetzt ganz nah bei Tally Brown, die die Schlussverse auf Deutsch singt. «Werden wir Helden für einen Tag. Wir sind dann wir an diesem Tag.» Tally Brown scheint an das zu glauben, wovon sie singt. Sie ist eine Heldin der Nacht, und der Zuschauer hat sich faszinieren lassen, Held auch er in einem Land, das Fantasia heisst oder auch Fantasma oder von uns aus auch Fantomia.

Dann schleppt Michi unsern Helden, die Hauptfigur dieses Buchs, zu sich nach Hause und in sein Bett. Felix findet den jungen Wiener sehr nett. Michi ist aber nicht ganz sein Typ, er ist ihm eine Spur zu tuntig. Trotzdem trifft er sich auch am nächsten Tag wieder mit ihm, sie besuchen am Vormittag das Museum in der Stallburg, in dem moderne Kunst hängt und sie sehen sich am späten Nachmittag noch einmal im «Havelka». Felix erzählt Michi von einer möglichen Syphilis-Infektion, die er sich von Toni eingefangen haben könnte, aber das interessiert Michi nicht, er will trotzdem mit Felix schlafen.

Am nächsten Abend trifft Felix im «Alfi», einer Stricherkneipe, glücklicherweise zum zweiten Mal auf Tuj, den Thai, der anfangs wütend auf Felix ist, weil dieser ihm bei der letzten Begegnung eine falsche Telefonnummer angegeben hat; dann aber schmelzt der Polizistensohn aus Bangkok dahin wie Butter an der Sonne, sie schmusen wieder und Felix kriegt beinahe einen Pflaumensturz. Um zwei in der früh fahren sie im Taxi zum Haus, in dem Tuj bei seinem österreichischen Schwager und seiner Schwester wohnt; Felix wird ins Haus geschmuggelt, denn niemand darf merken, dass Tuj «Herrenbesuch» hat. Sie lieben sich also gewissermassen heimlich, und das macht die Sache irgendwie noch aufregender.

An einem der nächsten Tage begibt sich Felix, der permanent unter einem schlechten Gewissen leidet, weil er vielleicht in der letzten Zeit ein paar Leute mit Syphilis infiziert hat, endlich in die Hautklinik, um einen Wassermann-Test zu machen. Er ist jetzt nicht mehr himmelhoch jauchzend gestimmt wie noch vor Kurzem, sondern eher unruhig wegen seiner «verwickelten Lebensumstände», wie er das nennt, wegen der möglichen Syphilis, wegen lauernder Schuldgefühle deswegen, und weil er hier seine Zeit verplempert, statt seriös zu studieren, also auch wegen seiner Eltern, die das Ganze hier schliesslich finanzieren, und wegen überhaupt. Tuj ruft an und will die Stimme von Felix hören. Am nächsten Abend treffen sie sich wieder, Tuj hat Ausgang bekommen bis Mitternacht. Sie schauen sich erst einen Film an und sitzen dann im «Rainer». Natürlich ist Felix schon ein wenig verliebt in das asiatische Bubengesicht und das sanfte zärtliche Wesen von Tuj. Michi, den Felix im «Jahrhundertbeisl» trifft, ist natürlich gar nicht glücklich über diese Entwicklung.

Felix gerät immer mehr in eine trübe Stimmung hinein: sein Mitbewohner, der arrogante, primitive Martin, hänselt ihn und geht ihm extrem auf den Zeiger, das Wetter ist eine absolute Katastrophe, seine Nerven sind angespannt. Martin und Christine streiten fast permanent. Felix erfährt von Christine, dass Martin ein ganz übler, rücksichtsloser, verantwortungsloser Bursche sei. Er habe in Amerika ein Mädchen mit einem Kind sitzen lassen, werfe ihr, Christine, aber vor, abgetrieben zu haben. Dass Martin nicht selten haarsträubenden Unsinn von sich gibt, hat Felix schon selbst festgestellt.

Wegen Tuj schwankt Felix hin und her zwischen Depressionen und Hochgefühl. Er ist richtig besessen von Tuj, er ist rasend verliebt in Tuj, er kann nicht mehr leben ohne Tuj, er würde alles tun für Tuj. Kurz, Felix ist krank, liebeskrank. Und am Morgen wird er schon um acht von Martin geweckt, diesem Arschloch, das mit einem Bohrer Löcher in die Wand bohrt. Felix bleibt dennoch – verärgert – bis zehn im Bett, schimpft beim Frühstück zusammen mit Christine über Martin und schreibt dann an einem Text herum, den er als seinen Roman bezeichnet. Um drei, oh grosses Glück, ruft Tuj an und sie treffen sich um halb vier vor dem Stephansdom; Tuj hat Conrado, einen Filipino, mitgebracht. Sie besuchen eine Schwulensauna in pseudotürkischem Stil und sind da die absolute Sensation. Tuj und Felix schmusen zusammen, liegen aufeinander herum, begrapschen und küssen sich, quasi vor sabberndem Publikum, da es in dieser Sauna keine Privatkabinen gibt (Felix ist damals ziemlich zeigefreudig, und immer, wenn er einen sitzen hat, will er sich ausziehen und einen Striptease oder Tabledance hinlegen). Dann, nach drei, vier Stunden, gehen sie etwas essen und anschliessend ins Alfi, die Strichjungenspelunke. Um zwölf muss Tuj wieder zu Hause sein. Felix ahnt, dass es eine Frage der Zeit ist, bis Tuj seinen nächsten Lover gefunden hat. Tuj ist zwar, was die Auswahl betrifft, recht anspruchsvoll, aber diese Auswahl ist enorm, weil jedermann auf ihn steht, was, wie Felix zugeben muss, auch kein Wunder ist.

Anfang April kann Felix endlich den Test von der Klinik abholen: Befund negativ, also keine Syphilis, keine Strafe Gottes, kein schlechtes Gewissen mehr. Trotz des Gefühls, noch einmal davongekommen zu sein, segelt Felix weiter mitten in eine Krise hinein. Er denkt nur nach an Tuj, Tuj, Tuj, es ist zum Verrücktwerden, und ist für alles andere wie gesperrt. Aber Tuj lässt zunächst einmal nichts mehr von sich hören (die Ära der Handys, in der man jederzeit erreichbar ist, ist noch lange nicht angebrochen). Felix trinkt erheblich zu viel Weisswein und erwacht am andern Tag mit dröhnendem Schädel. Aber um zehn Uhr erfolgt die Erlösung in Form eines Anrufs von Tuj. Er war für drei Tage mit Schwester und Schwager auf dem Land und will Felix gleich wieder sehen. Sie treffen sich um zwölf beim Stefansdom, dann fahren sie zusammen zur thailändischen Botschaft, dann heim zu Felix, wo sie sich «endlich» (im subjektiven Empfinden von Felix) wieder einmal lieben. Um fünf Uhr muss Tuj heim, Felix geht zur Staatsoper und steht für einen Stehplatz an, um dann die Ehre zu haben, sich zusammen mit der dänischen Königin, die allerdings weit weg in einer prächtigen Loge sitzt, Mozarts «Così van tutte» zu Gemüt zu führen. Es geht in dieser Oper um Eifersucht und Beziehungsknatsch, aber am Ende steht die Erkenntnis, dass der Mensch glücklich ist, der alles nur von der besten Seite nimmt und angesichts der Wechselfälle des Lebens, über die er lacht, Ruhe bewahrt. Tja, davon kann unser Felix nur träumen.

Am nächsten Abend ist Felix hundemüde, er schreibt einen unmöglichen Brief an Hannah, eine anorektische WG-Kollegin aus Bern, einen Brief, den er auf keinen Fall abschicken kann, kocht Spaghetti und redet mit Bekannten von Christine über Psychotherapie. Dann nimmt er ein Bad, schreibt weiter an seinem Kitsch-Brief und trinkt dazu eine Tasse Kaffee nach der anderen, um wieder ein bisschen in Form zu kommen, aber er kommt nicht in Form, sondern auf einen richtigen Coffein-Horror, mit Paranoia, Übersensibilität und flatternden Nerven. In derartiger Verfassung segelt er in Richtung «Hydepark», und wer sitzt da? Tuj – und zwar in den Armen eines anderen. Und dieser andere ist erst noch jung und sieht einigermassen gut aus – für den Geschmack von Felix eindeutig viel zu gut. Felix flippt fast aus vor Eifersucht und setzt sich, masochistisch oder sadistisch oder sadomasochistisch veranlagt, wie er ist, neben das schmusende Paar. Tuj kann die Eifersucht von Felix nicht begreifen. Wie auch? Sie ist das Problem von Felix. Dieser trinkt jetzt keinen Kaffee mehr, neiiiin, sondern, mit wilder Entschlossenheit, Weisswein. Ein Verehrer, der ihm schon oft nachgestrichen ist, setzt sich, eine Chance witternd, neben Felix, will ihn trösten und wäscht ihm den Kopf von wegen Selbsterniedrigung, Felix aber beharrt auf der Selbsterniedrigung und will sich nicht trösten lassen. Mit zuckenden Gliedern und verzerrtem Gesicht tanzt er zu «Hit me with the rhythm stick» von Ian Dury. Als Tuj geht, flüstert er Felix zu, dass er in einer Viertelstunde zurück sei. Da hellt sich das Gemüt von Felix wieder etwas auf. Tuj kommt tatsächlich bald zurück und fragt Felix, ob der ihm böse sei, wenn er, Tuj, mit anderen gehe. Felix verneint das, nicht ganz ehrlich; böse ist er deshalb zwar nicht, sondern eher verzweifelt darüber. Tuj sagt, er sei ein bad boy, weil er es mit anderen treibe, sich aber schlecht fühle, wenn er Felix mit jemandem nur schon reden sehe. Tuj ist merklich betrunken. Sie fahren mit dem Taxi an die Kreuzgasse, schlafen zusammen, ineinander verkrallt auf dem schmalen Bett, und lassen sich um sechs Uhr in der Früh vom Telefon wecken, Tuj muss dringend heim. Felix schläft dann noch eine Runde, am Nachmittag liest er in Rousseaus unendlich langweiligem Erziehungsroman «Emile» – Pflichtstoff für die Uni – und fühlt sich zur Hauptsache komisch. Dieser «Emile» macht ihn, wie zum Beispiel auch die Lektüre von Stifters «Nachsommer», ganz kribbelig. Es gehört für Felix zu den Büchern, von denen er echt Albträume kriegt.

Am Mittag ruft Tuj an und lädt Felix zu sich nach Hause ein, er hat bis vier sturmfreie Bude, sie spielen Pingpong, küssen sich, reden, Tuj kocht thailändisch. Dann schickt Tuj Felix fort, weil er seinen anderen Lover treffen will oder muss, wie er sagt. Felix fährt heim und telefoniert mit Michi, den er um sieben im «Hummel» trifft: Felix säuft wieder, erst Weisswein, dann Weinbrand bei Michi, und dreht langsam durch. Nach zwölf fahren sie ins «Hydepark». Felix nimmt an (oder eben gerade nicht), dass Tuj und sein Begleiter dann schon nicht mehr da seien. Das erweist sich jedoch als Irrtum. Felix ist ausser sich vor Eifersucht. Der arme Michi wird schon gar nicht mehr beachtet. Felix lässt sich stattdessen mit Wolfgang, einem Freiherrn, ein, der verhältnismässig dick, alt, hässlich und haarig ist. Dieser nimmt ihn mit in seine Wohnung und Felix, plötzlich sehr geil geworden, lässt sich an dessen haarigem Körper einen Orgasmus machen; er steht ja sonst nicht auf behaarte Körper, aber jetzt ist Felix eben verrückt und es spielt alles keine Rolle mehr. Am Morgen um acht verlässt Felix den Freiherrn schon wieder und fährt in seine WG zurück, verkatert und ziemlich deprimiert. Felix tut dann den ganzen Tag nichts anderes ausser rumhocken und mit Christine klönen, sie schauen sich in der Flimmerkiste einen Film an, alles so schön bunt hier, und Felix ist über sich selbst ziemlich verzweifelt und trägt sich mit Fluchtgedanken, die aber eh nichts taugen. Von Toni hat er auch schon seit drei Wochen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Wien hängt ihm schon überall heraus, aber nach Bern fahren mag er auch nicht (da ist ja wahrscheinlich sowieso niemand über die Ostertage) und sonst wohin fahren mag er schon gar nicht. Er hängt den ganzen Tag in der Wohnung rum, versucht vergeblich, Tuj anzurufen, schreibt einen törichten Brief an Toni, fährt zum Westbahnhof, ohne aber in einen Zug zu steigen, hat schon wieder etwas getrunken… Am Abend telefoniert Felix mit Toni. Er hat jetzt doch vor, über Ostern in die Schweiz zu fahren; er braucht unbedingt etwas Distanz zu Tuj. Toni klingt zwar ziemlich… nicht gerade begeistert über dieses Vorhaben von Felix. Abends ist Felix zuerst im Baron, dann im «Hydepark», wo er Tuj trifft, und zwar ohne dessen neuen Lover; sie sitzen händchenhaltend zusammen, aber Felix hat das Gefühl, dass das Herz von Tuj schon nicht mehr bei ihm, Felix, ist.

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