Donnerstag, 10. Dezember 2009

Traurige Jäger (20)

Aber eine Stunde später schon ritten zwei uns wohlbekannte Gestalten – der lange Dünne mit dem Texanerhut auf dem Schädel auf einem klapperdürren Ross, der kleine Dicke auf einem kurzbeinigen Esel, beide mit Scheriffsstern auf der Brust – in die nächtliche Wüste hinaus. Der Himmel war von den vielen gut sichtbaren Sternen wirklich erstaunlich hell. Jetzt, in der Nacht, war es empfindlich kühl geworden, und Sancho und der Sheriff ritten in einem so flotten Tempo, wie es die Pferdestärken von Esel und Klappermähre gerade eben noch erlaubten.

Plötzlich hörte Sancho ein grässliches Schreien, das ihm sämtliches Blut in den Adern gerinnen liess. «Ach,das sind doch bloss die Affen», sagte der Sheriff, als er das Erschrecken seines Assistenten bemerkte. «Aha, nur die Affen», sagte Sancho und wiegte den Kopf.

Sie ritten die ganze Nacht, kreuz und quer, wie es Sancho schien (aber wie will man das in der Wüste beurteilen), ohne dass sich etwas Erzählenswertes ereignet hätte; ausser, dass der Sheriff einmal das ganze Magazin seiner Pistole auf einen harmlos dastehenden, wenngleich stacheligen Kaktus abfeuerte. Irgendetwas musste Don Quichotte an dem Kaktus erschreckt oder irritiert haben. Sancho war aber so taktvoll, den Sheriff nicht nach dem Grund dieser Irritation zu fragen. Trotzdem schien Don Quichotte für den Rest des nächtlichen Streifzuges etwas verlegen zu sein. «Du hast», sagte er zu Sancho, «wie alle allzu freundlichen Menschen etwas Schizophrenes an dir.» Ansonsten wurde zwischen den beiden nur noch wenig gesprochen.

Es dämmerte bereits der Tag, als sie müde und hungrig und staubig endlich wieder zuhause anlangten. Die Schwester des Sheriffs schlief wohl noch. Der Hund war bereits ausgeschlafen und bellte morgenfroh, nicht ahnend, dass er schon bald aus dieser Geschichte verschwinden muss. Sancho schlug vor, ein paar Eier zu braten, vorzüglich zu etwas Schinken und Speck, aber der Sheriff wollte wieder einmal nichts vom Essen hören. Deshalb beschränkten sie sich darauf, vor dem Schlafengehen ein letztes – oder vielmehr ein erstes – Glas zu trinken.

Als Sancho, der lange – getrennt durch die Unendlichkeiten von Raum und Zeit – nicht mehr auf einem Bett gelegen, die Glieder wohlig ganz fest und zärtlich auf der Matratze liegen fühlte und die Müdigkeit einer holdseligen Entspannung wich, da dachte er: So könnte es ewig sein, dieses Liegen ist das ganze Glück (der Schlaf sei ewig, doch das Erwachen gewiss). Dann schlief er schon, sank in einen neuen Traum. Die Momente des Glücks sind auch für einen Sancho von flüchtiger Natur. Don Quichotte aber ging auf und nieder, schlaflos, murmelte etwas zwischen den Zähnen hindurch und dachte nach und dachte nach.

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