Mittwoch, 25. Februar 2009

Pragmatismus!




«Du nennst es Pragamatismus, ich bezeichne deine Haltung als Prinzipienlosigkeit, als Opportunismus. Du bist doch einer, der, weil er keinen Glauben hat, sein Fähnchen in jeden Wind hängt, der um seines Vorteils willen jederzeit geschmeidig seine Strategien und Meinungen ändert. Gib es doch zu: deine Haltung ist Bequemlichkeit. Du weichst Auseinandersetzungen aus. Du bist harmoniesüchtig. Du willst keinen Streit und schon gar keinen Krieg, darum legst du dir schon rein prophylaktisch gar nicht erst Überzeugungen zu. Du müsstest sie ja vielleicht verteidigen! Gegen andere! Nein, nein, das willst du nicht: Du willst geliebt werden, du willst Anerkennung um fast jeden Preis. Bei jemandem wie dir dreht sich mir der Magen um.»
«Es ist zwar hart ausgedrückt – was du sagst, trägt aber ein Körnchen Wahrheit in sich. Ja, ich habe keinen festen Glauben. Nein, ich vertrete keine Ideologie. Und nein, ich bin nicht stolz darauf. Es ist einfach so: Selbst wenn ich es wollte, könnte ich es nicht. Glauben lässt sich nicht erzwingen. Meine Weltanschauung ist brüchig, sozusagen von Natur aus. Ich bin nun mal ein Windhund; ich kann auch nicht aus meiner Haut heraus. Natürlich könnte ich mir Mühe geben, wenigstens das. Aber ob da was Rechtes dabei herauskommen würde? Es darf bezweifelt werden. Es muss bezweifelt werden. Denn wer Prinzipientreue, Glaubensfestigkeit und Überzeugung nur vorgibt, ist doch nichts anderes als ein grausamer Zyniker, ein Manipulator und obendrein ein gnadenloser Egoist – schlimmer als der schlimmste Überzeugungstäter, der zwar über Leichen geht, aber wenigstens meint, was er vertritt. Wer seine Überzeugungen nur vorgibt, soll doch gleich in die Politik gehen.»
«Ich bin jemand, der kompromisslos für seine Überzeugungen einsteht. Ich kämpfe für sie, ich verteidige sie, ich lasse mein Leben für sie. Ich bin ein heroischer Mensch – und du bist ein Waschlappen. Wenn du mich als fanatisch oder gar fundamentalistisch bezeichnen willst – bitte, nur zu. Ich habe nichts dagegen. Ich glaube an Gut und Bös, Falsch und Richtig, Schwarz und Weiss. Nur so habe ich die Möglichkeit, mich auf die richtige Seite zu schlagen.»
«Ja, ich weiss, und ich bin der, der als Zuschauer irgendwo im Halbschatten sitzt. Keine sehr glanzvolle Rolle, zugegeben. Ich bewege mich lieber in der Welt der Zwischentöne als auf dem Schlachtfeld der harten Kontraste. Aber einen Standpunkt habe ich schon; oder vielmehr ein Lebensprinzip. Man könnte es eine gewissermassen darwinistische Lebenshaltung nennen: das evolutionäre Prinzip des Try and Error. Es ist die Haltung des ewigen Studenten, der sich der Wahrheit, mit aller Bescheidenheit, höchstens ein bisschen annähern, sie aber niemals erreichen und schon gar nicht in Besitz nehmen kann. Auch ich muss Entscheidungen treffen – aber diese Entscheidungen fälle ich eher aus einem Abwägen heraus im Bewusstsein, dass es immer mehrere Wege gibt und nicht die eine richtige Lösung. Dein Leben ist ein Entweder-oder, meins ein Sowohl–als auch. Aber schon wahr, in meiner Haltung ist die Bequemlichkeit und das Ausweichen vor Konflikten und der billige, allzu billige Kompromiss als Gefahr sehr mit angelegt. Und der Zweifel, der manchmal zur Verzweiflung führen kann. Allerdings habe ich an meiner Seite als machtvolle Helfer die Neugier. Und den Respekt vor dem Fremden. Und die Liebe – die Liebe ist vielleicht das Wichtigste.»
«Ach ja, die Liebe – da wären wir wieder! Die Liebe! Die haben wir auch, aber die Richtige! Und zu unserer Liebe gehört auch der richtige Hass. Du kannst dir deinen Pragmatismus sonst wohin stecken, du… du… feiger Gutmensch du! Und jetzt fahr zur Hölle!»

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