Montag, 3. August 2009

Traurige Jäger (7)

Inzwischen lagen sich in der Arrestzelle Don Quichotte und Sancho Pansa in den Armen, gerührt darüber, endlich wieder vereint zu sein. Don Quichotte erzählte ausführlich, was vorgefallen war, Wie er sich einem Indianer gleich an den Maschinenpark herangeschlichen habe, Iein schwarzer Schatten in der Nacht; wie er, Don Quichotte, langsam und ohne auch nur zu atmen seine Laserpistole gehoben habe und mit einer Salve aus Licht und Lärm über de Cerebraner hergefallen sei, so dass dieser fast augenblicklich seinen Geist habe aufgeben müssen. Die Menschen aber seien undankbare Ignoranten, eingebildete Schwachköpfe, cabrones und calabazos. So sässen sie beide denn nun in Gottes Namen hier in diesem Loch, nicht einmal mit dem Nötigsten, nämlich Wasser und Brot, versehen. Aber Don Quichotte sprach schon seit einiger Zeit ins Leere, denn Sancho, für den es ein langer und ereignisreicher Tag gewesen war, war nun sanft eingeschlafen, was sich an langen, regelmässigen Atemzügen erkennen liess, die allmählich in ein fürchterliches Schnarchen übergingen, ein Geräusch, das Don Quichotte so vertraut und lieb war, dass auch ihn der Schlummer übermannte.

Don Quichotte träumte (aber vielleicht war es gar kein Traum, sondern durch Zauberei möglich gewordene Wirklichkeit), das es ihnen, nämlich ihm selbst und seinem Assistenten Sancho Pansa, gelang, ihr Gefängnis zu verlassen. Und zwar gelang es ihnen unter Zuhilfenahme solcher Phänomene wie Unsichtbarsein, Durchdiewändegehenkönnen etc., die Arrestzelle und auch den Maschinenpark unbeschadet und ohne von Kugeln durchlöchert zu werden zu verlassen. Natürlich mussten sie als erstes ihre Lufthunde finden. Die hatten ihre Gestalt inzwischen auch gewandelt und sahen nun nicht mehr wie Fahrräder aus, sondern präsentierten sich, wie Sancho fand, in einer äusserst kuriosen Form. Ihrer wahren Form, wie Don Quichotte erklärte. Lufthunde seiner Fahrzeuge oder Reittiere – gleichviel: einfach Fortbewegungsmittel –, mit denen man nicht nur durchs Wasser, durch die Luft und auf der Erde reisen, sondern auch durch die Zeit, vorwärts und rückwärts, mehr noch, sogar durch den n-dimensionalen Raum. Was ein n-dimensionaler Raum sei, verstehe er, Sancho Pansa, mit seinem schlichten Gemüt wohl kaum, falle es doch sogar ihm selbst, Don Quichotte, schwer, sich diesen Raum ganz plastisch vorzustellen. Das gebe er ganz unumwunden zu. Sancho bestätigte gern, dass er von n-dimensionalen Räumen nichts verstand. Verwundert und mit einigem Respekt begutachtete er die verwandelten Fahrräder, die sich da so wundersam teleologisch entfaltet und zu ihrer wahren Form gefunden hatten (Sancho dachte natürlich nicht in Begriffen wie der der teleologischen Entfaltung und der wahren Form, sondern staunte einfach bloss). Die Lufthunde hatten jetzt als Vorderleib, gewissermassen, die Form eines Hundes, und zwar eher eines Windhundes oder noch eher eines Greyhounds als eines Schäferhundes oder gar eines Dackels. Allerdings wuchsen ihnen Flügel aus den Schulterblättern, was sonst bei Hunden ja eher nicht vorkommt. Der hintere Teil der Lufthunde endete nicht in einem Schwanz, jedenfalls nicht in einem Hundeschwanz, sondern viel eher in einem Fischschwanz oder einer Schwanzflosse, wie man sie gemeinhin bei Meerjungfrauen und anderen Vertretern der Gattung der Pisces findet. Um den Hals trugen sie überdimensionierte Armbanduhren aus einem weichen, nachgiebigen Material wie die zerfliessenden Uhren von Salvador Dalì, welcher ein spanischer Maler und damit ein Landsmann von Don Quichotte und Sancho Pansa war. Item. Diese zerfliessenden Armbanduhren, die man in diesem Fall korrekt als Halsbanduhren bezeichnen sollte, und das Zifferblatt in den Farben des Regenbogens lag auf der oberen Seite des Halses.

So standen die Lufthunde also da und wedelten einladend mit dem meerjungfrauenhaften Fischschwanz. Aber Sancho, wie sich die geneigte und mit einem feinen psychologischen Gespühr ausgestattete Leserschaft sicher schon selber denkt, dachte natürlich gar nicht daran, sich in den Sattel zu schwingen. Er fand tausend Gründe, die gegen das Besteigen von Lufthunden sprachen, hielt dafür, dass er zu schwer sei für das zierliche Tier (oder Ding), führte an, dass ihm in der Luft und vornehmlich in grosser Höhe schwindlig werde, dass er noch nie einen Lufthund gefahren oder geritten habe und deshalb nicht wisse, wie die Sache zu steuern sei, und überhaupt, er sei weder John Wayne noch Old Shatterhand, sondern Sancho Pansa und darauf geschissen. Aber Don Quichotte mit seinem schier unbegrenzten Vertrauen auch in Erscheinungen, Vorkommnisse und Ereignisse ausserhalb der Norm und seiner wahrhaft übermenschlichen Überzeugungskraft brachte Sancho schliesslich doch noch dazu wenigstens einen Flug-, Reit- oder Schwimmversuch zu wagen.

Kaum, dass sie mehr oder weniger bequem auf dem Rücken der braven Fortbewegungsmittel sassen, fühlten sie sich auf die seltsamste Art und Weise durch die Luft und den Raum eher gesogen als geflogen, auch war die Geschwindigkeit, mit der sie reisten, so enorm, dass es ihnen alle Gedanken, ja den allergrössten Teil der bewussten Wahrnehmung überhaupt, aus dem Hirn heraus blies, so dass sie später weder sagen konnten, ob die Reise lang oder kurz gewesen, angenehm oder unangenehm verlaufen sei.

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