Durchlässigkeit ist der beste Schutz. Das gilt auch für Ideologien. Und wir können alle nicht anders, soweit ich es sehe und natürlich auch, soweit es mich betrifft, als in Ideologien denken. Die Köpfe der Menschen sind voll von Ideologien – einfach deshalb, weil sie Köpfe von Menschen sind und es so im «Schöpfungsplan» vorgesehen ist. Selbst die, welche behaupten, keine Ideologie zu haben, haben eine, zumindest die, dass sie keine haben. Da ist also keine Freiheit. Und doch gibt es eine Freiheit, nämlich die, wie man mit den Ideologien im Kopf umgehen will. Es gibt da den harten und den weniger harten Weg. Wobei auch dieser Unterschied zwischen den beiden postulierten Wegen ein ideologischer ist. Aber wenn man so weit gehen und diesen Umstand berücksichtigen will, kann man den Labtop gleich aus dem Fenster werfen. Ja warum eigentlich nicht?
Und es ist auch keine Freiheit, ob man den einen oder den anderen Weg wählt. Ich vermute, dass sowohl der eine wie der andere Weg unausweichlich ist, wenn man ihn geht – das heisst, dass man ihn gehen muss.
Aber auch dieses Geschwätz ist Ideolologie (also doch lieber den Labtop aus dem Fenster werfen, auch wenn sich das nicht ziemt und weil er irgendwelchen Leuten auf den Kopf fallen könnte)?
Auch Scheisse.
Der eine Weg, von dem ich euch erzählen wollte, ist der Weg des Glaubens. Ein verlockender Weg, auf den ersten Blick. Er führt ins Paradies. Schnurstraks. Es führen jedoch viele Wege nach Rom, sagt das Sprichwort; und es führen auch viele Wege ins Paradies. Da gibt es nicht nur die Religionen, die orthodoxen und die andern, die exo- und esoterischen, die liberalen und die fundamentalistischen, sondern auch Philosophien und Weltanschauungen, tiefsinnige und primitive, politische Überzeugungen, rechte und linke, und was der Teufel noch, den Glauben an die rationale Wissenschaft und die Chügelimedizin und die Astrologie...
Der Weg des Glaubens ist ein verlockender deshalb, weil es der Weg der Unschuld ist, oder vielmehr der verlorenen oder zu verlierenden Unschuld, ein Weg, der uns im Zustand von Vierjährigen verharren lässt, von Vierjährigen, die ein Mammi und einen Pappi brauchen und von denen man erwartet, dass einem nichts Böses zustossen wird. Ich glaube, was ich höre, sagen wir, oder ich glaube, was glaube. Ich denke, also bin ich. Oder ich glaube an die Macht des Geldes. Oder ich glaube an die Macht der Macht. Oder eben an die Macht Gottes. Oder ich glaube gar nichts mehr, ich glaube an den verlorenen Glauben.
Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen?
Wir sind darauf angewiesen, zu glauben. An den Glauben zu glauben.
Der andere Weg ist der Weg des Zweifels. Auch auf dem Weg des Zweifels kommt man ohne Glauben nicht aus. Auf der Ebene des Denkens bleibt uns der Glaube natürlich erhalten, denn ohne Glauben funktioniert das Denken nicht. Ohne den Glauben funktioniert die Sprache nicht. Ich bin darauf angewiesen, zu glauben, dass ich einen Baum sehe, wenn ich sage, dass ich einen Baum sehe. Eigentlich müsste der Spruch so gehen: Ich denke, also glaube ich. Aber Descartes ging wohl eher den Weg des Glaubens und nicht den Weg des Zweifels.
Wer den Weg des Zweifels geht, glaubt nicht an den Glauben – das ist der Unterschied. Sein zustand ist die permanente Unsicherheit, und aus der Unsicherheit heraus lassen sich grosse Werke nicht vollbringen. Deshalb gibt es in der Geschichte wenige Zeugnisse für Menschen, die den Weg des Zweifels gingen.
Und der Weg des Zweifels ist eine Einbahnstrasse, auf der man weiss Gott wohin kommt, aber sicher nicht zurück auf den Weg des Glaubens. Der Zweifel ist für den Glauben ein zu bröckeliges Fundament.
Und kein Mammi und kein Pappi nehmen dich an der Hand und führen dich auf den rechten Weg, denn Gott ist tot.
Der Weg des Zweifels ist eigentlich gar kein Weg, denn er führt nirgendwo hin, sondern aus allem heraus.
Man kann den Glauben aber wohl für eine Zeit verlassen, um ihn dann durch die Hintertür wieder zu betreten. Das haben die grossen Erneuerer getan, in der Wissenschaft und in der Politik, die Revolutionäre und Umstürzler.
Im besten Fall fingen sie an, an ihre Entdeckung oder an ihr Werk zu glauben. Im schlimmsten Fall fingen sie an, an sich selbst zu glauben, oder vielmehr an das Bild, dass sie sich von sich machten. Und viele andere fingen an, an sie zu glauben, oder vielmehr an das Bild, das sie sich von ihnen machten.
Ich werde den Computer früher oder später tatsächlich aus dem Fenster werfen.
Dienstag, 28. April 2009
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