"Tatsächlich war ich, während Loos immer wacher zu werden schien, fast eingenickt und hatte seine Stimme wie aus weiter Ferne gehört. Doch, ja, sagte ich und unterdrückte ein Gähnen, Sie haben mir weismachen wollen, Sie seien nicht rückwärtsgewandt, dann aber ein Szenario gezeichnet, das Sie Lügen straft. - Das stimmt, sagte Loos, das ist das Dilemma der heutigen Sofaträumer: gehen sie vom Bestehenden aus, ohne es anzutasten, starten sie also auf der Rampe des Status quo und phantasieren sie sich vorwärts Richtung Zukunft, um dort etwas Lieberes zur Erscheinung zu bringen, dann scheitern sie. Denn in der Zukunft wird das heute Faktische, das sie ja mitträumen müssen, noch dreimal faktischer sein. Da bringt man kein Luftschloss mehr unter. Zukunftsträume, mit anderen Worten, können nur Alpträume sein, zumindest für jene, denen es schon vor der Gegenwart graut. Und wenn man sich diese wegträumt, indem man der Menschheit vom Sofa aus eine partielle Sintflut verordnet, dann landet man naturgemäss im Gestern. Den Vorwurf der Rückwärtserei muss man schlucken. Wer alles gern langsamer hätte, stiller, sinnlicher, weniger grell, hat keine andere Wahl, als sich in Einst hineinzuphantasieren, denn wie erwähnt, das Künftige wird so gewaltsam wirklich sein, dass sich kein Träumchen mehr nach vorne wagt, verstehen Sie?"
aus: Markus Werner, Am Hang. Roman, 2004.
Sonntag, 7. Februar 2010
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