«Ich war nie sehr wählerisch bei dem, was ich tat. Ich war mit allem einverstanden, hielt meine Termine ein, beklagte mich nie, schrieb lesbar. Kurzum, ich war ein gewissenhafter Mensch. Wo andere Kollegen schluderten, leistete ich manierliche Arbeit. Ich verzog nie eine Miene, auch nicht, wenn das Honorar niedrig war. Wenn nachts um halb drei ein Anruf kam, ob ich bis sechs Uhr morgens zwanzig Seiten (zum Thema Vorteile analoger Uhren oder Der Charme von Frauen in den Vierzigern oder Die Schönheit von Helsiniki, wo ich natürlich noch nie gewesen war) abliefern könne, war ich schon um halb sechs fertig. Und wenn sie mich um eine Überarbeitung baten, hatte ich das bis sechs Uhr erledigt. Kein Wunder, dass ich einen guten Ruf hatte.
Es war wie Schneeschaufeln.
Wenn es schneite, leistete ich hocheffiziente Räumarbeit.
Ohne ein Fünkchen Ehrgeiz, ohne die geringste Erwartung. Es ging mir lediglich darum, Dinge systematisch zu erledigen, eins nach dem anderen. Manchmal fragte ich mich natürlich, ob ich mein Leben nicht verplemperte. Aber abgesehen davon, so lautete mein Fazit, hatte ich kein Recht, mich darüber aufzuregen, dass Papier und Tinte verschwendet wurde. Wir leben schliesslich in einer hochkapitalistischen Gesellschaft. Verschwendung gilt hier als höchste Tugend. Politiker nennen es «Verfeinerung des einheimischen Konsums». Ich hingegen nenne es sinnlose Verschwendung. Die Auffassungen unterscheiden sich eben. Doch trotz dieser Differenzen ist es nun einmal die Gesellschaft, in der wir leben. Wenn mir das nicht passt, kann ich ja auswandern, nach Bangladesch oder in den Sudan.
Ich brannte nicht darauf, in Bangladesch oder im Sudan zu leben.
Also erledigte ich stillschweigend meine Arbeit.»
Haruki Murakami, in: Tanz mit dem Schafsmann.
Donnerstag, 18. März 2010
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