Aber der Adjutant ignorierte diese Einwände und sagte, zu Don Quichotte gewandt:«Natürlich wird Herr von Bockfuss gleichzeitig eine Lagebeurteilung von der Kampffront Cerberus abgeben, Herr Botschafter:» Der Ausdruck höchster Aufmerksamkeit verstärkte sich noch in Don Quichottes Miene, auch wenn er nach wie vor äusserlich ganz ruhig blieb.
Sancho ergab sich resigniert in das Erscheinen von Herrn Bockfuss. Inzwischen stand der unerwünschte Besucher nämlich im Raum und entbot ebenfalls, wenn auch lockerer und legerer als der Adjutant, den Führergruss. Er war klein und mager, hatte ein unsympathisches, raubvogelartiges Gesicht, dem alle Gefühle und Leidenschaften fremd zu sein schienen. Seltsamerweise trug er Alpentracht, irgendwas Besticktes und Krachledernes und Kariertes. «Also, was gibt’s?» fragte Sancho weinerlich und alles andere als neugierig. «Ich komme direkt von unserem Einsatz- und Forschungszentrum Uri Rotstock mit der Bitte, uns den Rücken zu stärken, Führer. Gerade jetzt, wo wir in unserem Bemühen so schöne Fortschritte machen, versucht eine Gruppe von Humanitätsduslern, Schwächlingen und Gutmenschen uns in den Rücken zu fallen. Ich glaube kaum, mein Führer, dass das in Ihrem Sinn und Geist ist. Sie sind uns als ein Mann der grossen Entwürfe, als ein Mann mit Visionen bekannt. Nicht umsonst werden Sie "Baumeister des Zehntausendjährigen Reichs" genannt. Sie sind also mit uns der Ansicht, dass diese Störenfriede umgehend zu eliminieren sind. Auszureissen wie Unkraut, das sonst überhand zu nehmen droht. Ich fordere Sie deshalb auf, uns, das heisst mir, freie Hand zu lassen, und, was das Finanzielle betrifft, alles Nötige zu veranlassen. Da es Waffen im herkömmlichen Sinn als Kampfflugzeuge, Marschhflugkörper, Raketensysteme etc. jetzt glücklicherweise oder auch bedauerlicherweise nicht mehr gibt, muss der Etat des Vertedigungsministeriums vollumfänglich uns zur Verfügung gestellt werden.
Wie Sie wissen, Herr Botschafter», wandte sich Bockfuss nun wieder Don Quichotte als dem eigentlich Adressat seiner Botschaft zu, «sind wir daran, grosse Fortschritte in der Erzeugung einer effizienten und störungsfreien Menschheit zu machen. Ferner ist es uns bekanntlich gelungen, den Anteil asozialer Elemente in der Gesamtbevölkerung mittels hochwirksamer und äusserst suchtintensiver Drogengifte – das gute alte Heroin ist im Vergleich das reinste Baldrian –, ferner mittels unheilbarer, epidemisch in unerwünschten Bevölkerungsgruppen sich verbreitender Krankheiten signifikant zu senken. Sie sehen also, dass unser Volkskörper als Ganzes daran ist, allmählich zu gesunden. Wir haben dies in unseren Geheimberichten dokumentiert. Natürlich braucht die gentechnologische Spezifikation noch etwas Zeit. Aber auch die letzten noch existierenden Ghettos, in denen sich die totale innere Ordnung noch nicht ganz durchgesetzt hat, werden in einigen Jahren verschwunden sein. Natürlich nur dann, wenn man uns machen lässt. Ich sage immer, dass wir den Krieg erst dann gewonnen haben werden, wenn der letzte Ordnungshüter überflüssig geworden sein wird. Und wenn das, was einst als Jurisprudenz Recht und Gesetz war, endgültig in den Mistkübel der Geschichte geworfen wird.»
Sancho, der sich den Generalshut vom runden Kopf genommen hatte, kratzte sich intensiv am selbigen. Er war eher eine charismatische als eine intellektuelle Persönlichkeit, ganz im Gegensatz zu Herrn Bockfuss, dem er gern das Denken überliess. «Was meinen Sie, Herr Botschafter?» fragte er deshalb etwas ratlos den hageren Herrn zu seiner Rechten. Dieser antwortete heiser mit vom langen Schweigen etwas eingerosteter Stimme: «Sie wissen, verehrte Exzellenz, dass ich mich als offizieller Vertreter Tobosos nicht erfrechen darf, mich in Ihre innenpolitischen Anngelegenheiten einzumischen. Unser gemeinsames Interesse liegt in der Bekämpfung der Bedrohung durch die Infiltration der Kräfte vom Planeten Cerberus. Die Cerberaner gelten geradezu als Synonym für das irrationale Element auf dieser Welt – und, in Klammern bemerkt, auch in anderen Welten. Für die grelle Dissonanz in der allgemeinen Harmonie. Cerberus ist die boshafte Tücke der Objekte. Der Inbegriff der Aufsässigkeit im allgemeinen Glück. Wir Toboser haben andere Motive – sie sind ihrem menschlichen Verstehen nicht zugänglich -, die Cerberaner, wo immer sie auftauchen, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Gleichviel. Unser Hauptaugenmerk muss auf jeden Fall sozusagen auf die Aussenpolitik gerichtet bleiben. Ich bitte Sie, das auch bei der Ausgestaltung Ihres Verteidigungsetats in Rechnung zu stellen. Verzeihen Sie mir bitte diesen Hinweis.» Herr von Bockfuss schenkte Don Quichotte einen bitterbösen Blick. «Die Cerberaner, Herr Botschafter, sind für uns ein höchst marginales Problem», sagte er mit verächtlich heruntergezogenen Mundwinkeln. «Sie sind leicht in Schach zu halten, gerade ihre Aufsässigkeit verrät sie ja.» – «Da habe ich aber anderes gehört», entgegnete Don Quichotte ruhig. «Nun ja, es sind Gerüchte... Vor einigen Wochen soll einer der Hochgeschwindigkeitszüge, die zwischen Paris und London verkehren, mitten im Tunnel, der unter dem Ärmelkanal hindurchführt, einfach stehengeblieben sein. Stellen Sie sich vor! Die Türen des Zuges waren blockiert, alle Lichter, bis auf einige Notlichter, fielen aus. Eine Szene wie aus den Kindertagen unseres hochtechnisierten Zeitalters. Niemand fand eine einleuchtende Erklärung für diese Panne des perfekten Funktionierens. Der «Stromausfall» oder was es auch immer war konnte nicht behoben werden, das Energieverteilungssystem widersetzte sich bockig allen Versuchen, es dazu zu bringen, seinen Job zu tun, Blut in die Adern des Gesellschaftskörpers zu pumpen. Nach etwa fünf Stunden behob sich der Schaden wie von selbst.
Das Resultat war nicht nur ein gigantisches Verkehrschaos. Im Zug befanden sich etwa 300 Exemplare der Menschenklasse F, die auf dem Weg zu einem Arbeitseinsatz in den Minen Nordenglands waren, ferner 170 japanische Exemplare der Menschenklasse D, alles Physiker und Chemiker, ein gutes Dutzend Typen A bis C, sowie fast tausend unklassifizierte Einheiten, die zu einem Laborversuch in den Spitälern Grosslondons abdetachiert waren. Während des unplanmässigen Aufenthaltes im Tunnel müssen sich an Bord des Zuges unvorstellbare Dinge abgespielt haben. Das Mobiliar wurde zerfetzt wie von einer Horde Wilder, die Verpflegungswagen leergefressen und –gesoffen. Wüste Schlägereien fanden statt, zuhauf wurden Ohren abgerissen, Nasen abgebissen, Beine und Arme gebrochen, Zähne ausgeschlagen – überall Blut, Kot, Tomatenketchup. Und Orgien hatten stattgefunden, sogar widernatürliche, das Schlimmste aber war, dass man später feststellen musste, dass die klassifizierten Exermplare unter den Passagieren auf rätselhafte Art und Weise wieder iin ihren vorklassifizierten Urzustand zurückgefallen waren, ja gerade die Typen A-C, die japanischen Physiker und Chemiker der Klasse D hatten es besonders schlimm getrieben. Als der Zug endlich in Londons Victoria-Station eintraf und sich die Passagiere als eine gröhlende, vandalisierende Horde in die Strassen ergossen, hatte die Weltregierung offenbar für einige Zeit mehr als alle Hände voll zu tun, da nämlich die Unordnung die Tendenz hat, ansteckend zu wirken und sich auszubreiten wie ein Flächenbrand. Sie werden wohl nicht bestreiten, Herr von Bockfuss, dass dieses Ereignis die Handschrift von Cerberus trägt.
Montag, 31. August 2009
Mittwoch, 12. August 2009
Traurige Jäger (8)
Als die beiden, Sanchon Pansa und Don Quichotte, wieder zu sich gekommen waren und es ihnen gelungen war, ihre Sinne zusammenzuraffen, gerieten sie sogleich nicht schlecht ins Staunen hinein. Das heisst, es blieb ihnen nicht viel Zeit zum Staunen, da, wie beim Übergang vom Traum ins Wachbewusstsein, die eine Normalität rasch von der anderen überdeckt wird und der Kipppunkt, an dem das Staunen ausgelöst wird, eben nur sehr kurz dauert. In der neuen Realität befanden sie sich in einem prachtvoll ausgestatteten Raum, vergleichbar mit der Fürstensuite eines Fünfsterne-Hotels (von einer solchn hatten sowohl Sancho Pansa wie auch Don Quichotte bisher eine Vorstellung nicht aus eigener Anschauung, sondern lediglich aus einschlägigen Spielfilmen und Soap-Operas am Fernsehen gewonnen). Sie befanden sich in einem grossen Raum, der farblich von Zartrosa bis Lachsig von Pastelltönen dominiert wurde. Den Raum, der fast schon ein Saal war, leuchteten grosszügig von der Decke hängende ausladende Kristalllüster aus. Sanchon fand sich auf einem Ruhebett oder einer Chaislongue halb liegen, halb sitzen. Er hielt, wie er erst jetzt bemerkte, ein kelchförmiges Glas in der Hand – ohne Zweifel eine Perle der Glasbläserkunst, wie er hätte bemerken können - , das mit einer goldfarbenen, perlenden Flüssigkeit gefüllt war und ihm gar angenehm in die Nase moussierte, so dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als zu niesen oder zu schlückeln. Vor diese Wahl gestellt, fiel ihm die Entscheidung nicht schwer, und er leerte das Glas mit einem einzigen, genussvollen Schluck bis auf den Grund: Mmh, Champagner, ein teurer Markenchampagner zweifellos, Sancho kannte sich da nicht aus, hatte bisher nur Cava oder Freixenet getrunken, dies aber mousste Moet & Chandon, Dom Perignon, Bollinger Special Cuvée Brut, Tattinger oder gar Roederer Cristal sein (Zahlungen der erwähnten Firmen bitte auf das Konto des Autors). Eine weitere Überraschung war, dass er sich in eine Uniform gesteckt fand, und zwar in eine Uniform, die selbst die Fantasieuniformen eines Oberst Muammar Abu Minyar al-Gaddafi weit in den Schatten stellte. Sancho hatte seinen Lebtag noch nie eine Uniform getragen. Er schaute an sich runter und sah gewichste Stiefel, schwarze Hosen mit breiten roten Längsstreifen, einen Uniformrock mit Achselpaletten und goldenen Knöpfen, ein breites Ordensband und zahlreiche Orden, die im Licht der Kristalllüster verführerisch blitzten. So, wie er auf dem Ruhebett halb lag, halb sass, erinnerte Sanchon wenn schon nicht von der Ausstaffierung, so doch vom gesamten Habitus her ein wenig an Peter Ustinoff als Nero in «Quo vadis?» (Quo vadis, was zu deutsch so viel heisst wie «wohin gehst du?», ist übrigens nicht nur ein gutes Motto für unsere Geschichte und eine echte Kern- und Lebrensfrage für die Weiterentwicklung ihrer Helden, sondern für das Leben der Menschen und der Menschheit überhaupt. Aber das nur nebenbei).
Don Quichotte sass _ wie immer recht würdevoll – in einem lachsfarbenen Sessel mit zierlich geschwungenen Beinen und wäre eine zum Lachen reizende Figur gewesen, wenn ihm in dieser neuen Aufmachung nicht etwas Unheimlich angehaftet wäre. Auch er war vornehmlich schwarz gekleidet, allerdings nicht militärisch, sondern zivil in einem Anzug, der ihm viel zu weit um die mageren Glieder schlotterte. Ferner trug er ein weisses Hemd, dazu eine schwarze Krawatte und eine auffällige Krawattenadel mit einem blauen T auf gelbem Grund. Seine Schuhe waren zwar keine Stiefel, aber ebenfalls blitzblank gewichst. Von den Kufthunden war übrigens nichts mehr zu sehen, die hatten sich offenbar in Luft aufgelöst. Dafür lagen zwei Leoparden faul wie grosase Katzen auf dem kostbaren Teppich herum. Jetzt klopfte es an der Tür, und es trat ein ein ebenfalls Schwarzuniformierter herein, der jetzt die Haken zusammenschlug, den Arm samt Hand und ausgestreckten Fingern so heftig vom Körper wegschleuderte, das es in den Gelenken knackte, und schnarrte und knarrte: «Führer, das Bad in der Menge ist angerichtet. Bitte untertänigst, sich auf den Balkon zu begeben!» Sancho seufzte und stöhnte, lustvoll und angewidert, und quälte sich vom Ruhebett oder der Chaislogue auf die blankgewichsten Stiefel, während Don Quichotte noch immer schweigend auf seinem lachsfarbenen Sessel sass und kerzengerade fanatisch ins Leere schaute. Inzwischen hatte der schwarzuniformierte Schnarrer und Knarrer mit den knackenden Gelenken Sancho in einen knöchellangen Ledermantel hineingeholfen. Draussen hörte man von weit weg und tief unten die Menge und das Volk den Namen Sanchos skandieren. Der Kammerdiener oder persönliche Adjutant öffnete die Flügeltüren des Balkons. Sancho räusperte sich, straffte den Rücken, warf sein Gesicht in Falten und marschierte langsam auf den Balkon hinaus. Wie eine Erlösung ergoss sich die Spannung der Menge da unten in einem Schrei, der langsam gen Himmel fuhr, als Sancho seine Hand zum Führergruss erhob. Er schloss die Augen. Der Ausdruck seines Gesichts war reine Verzückung, doch das konnte aus der Distanz natürlich niemand erkennen. Dies dauerte einige Minuten, die gar nicht verstreichen und in die Vergangenheit verschwinden wollten. Dann riss sich Sancho aus seiner Trance heraus, machte kehrt, verschwand vom Balkon, löste sich auf wie eine Fata Morgana. Die Menge wand sich wie in peinigendem Schmerz.. Sancho hingegen warf sich erschöpft und befriedigt auf die Chaislongue. Das Tagwerk war getan. Der Adjutant eilte mit einem Kelch voll perlender, prickelnder goldfarbener Flüssigkeit herbei. Der Führer dachte flüchtig daran, dass es bald an der Zeit sei, sich in die privaten Gemächer zurück zu ziehen, um mit seinen fetten Weibern eine wüste Orgie zu feiern. Das Bad in der Menge erzeugte in ihm immer eine gewisse geschlechtliche Erregung. Er stellte sich vor, wie ihn die Frauen mit ihren grossen dicken Brüsten ganz bedeckten, auf dass er herzhaft und mit grossem Appetit in sie hineinbeissen konnte. Aber er konnte sich nicht lange bei solchen süssen Gedanken aufhalten. Der Adjutant sagte nämlich höflich, aber mit einer gewissen Bestimmtheit: «Exzellenz, Führer und Majestät, Herr von und zu Bockfuss ist jetzt bereit zum Rapport.» «Was!» brauste Sancho da auf, «wer ist dieser Bockfuss, dass er es wagt, meine Ruhe zu stören?! Siehst du denn nicht, du Hund, dass ich in Gedanken versunken bin? Die Nacht ist tief, und tiefer als der Tag gedacht. Merk dir das! Verstanden?!»
Don Quichotte sass _ wie immer recht würdevoll – in einem lachsfarbenen Sessel mit zierlich geschwungenen Beinen und wäre eine zum Lachen reizende Figur gewesen, wenn ihm in dieser neuen Aufmachung nicht etwas Unheimlich angehaftet wäre. Auch er war vornehmlich schwarz gekleidet, allerdings nicht militärisch, sondern zivil in einem Anzug, der ihm viel zu weit um die mageren Glieder schlotterte. Ferner trug er ein weisses Hemd, dazu eine schwarze Krawatte und eine auffällige Krawattenadel mit einem blauen T auf gelbem Grund. Seine Schuhe waren zwar keine Stiefel, aber ebenfalls blitzblank gewichst. Von den Kufthunden war übrigens nichts mehr zu sehen, die hatten sich offenbar in Luft aufgelöst. Dafür lagen zwei Leoparden faul wie grosase Katzen auf dem kostbaren Teppich herum. Jetzt klopfte es an der Tür, und es trat ein ein ebenfalls Schwarzuniformierter herein, der jetzt die Haken zusammenschlug, den Arm samt Hand und ausgestreckten Fingern so heftig vom Körper wegschleuderte, das es in den Gelenken knackte, und schnarrte und knarrte: «Führer, das Bad in der Menge ist angerichtet. Bitte untertänigst, sich auf den Balkon zu begeben!» Sancho seufzte und stöhnte, lustvoll und angewidert, und quälte sich vom Ruhebett oder der Chaislogue auf die blankgewichsten Stiefel, während Don Quichotte noch immer schweigend auf seinem lachsfarbenen Sessel sass und kerzengerade fanatisch ins Leere schaute. Inzwischen hatte der schwarzuniformierte Schnarrer und Knarrer mit den knackenden Gelenken Sancho in einen knöchellangen Ledermantel hineingeholfen. Draussen hörte man von weit weg und tief unten die Menge und das Volk den Namen Sanchos skandieren. Der Kammerdiener oder persönliche Adjutant öffnete die Flügeltüren des Balkons. Sancho räusperte sich, straffte den Rücken, warf sein Gesicht in Falten und marschierte langsam auf den Balkon hinaus. Wie eine Erlösung ergoss sich die Spannung der Menge da unten in einem Schrei, der langsam gen Himmel fuhr, als Sancho seine Hand zum Führergruss erhob. Er schloss die Augen. Der Ausdruck seines Gesichts war reine Verzückung, doch das konnte aus der Distanz natürlich niemand erkennen. Dies dauerte einige Minuten, die gar nicht verstreichen und in die Vergangenheit verschwinden wollten. Dann riss sich Sancho aus seiner Trance heraus, machte kehrt, verschwand vom Balkon, löste sich auf wie eine Fata Morgana. Die Menge wand sich wie in peinigendem Schmerz.. Sancho hingegen warf sich erschöpft und befriedigt auf die Chaislongue. Das Tagwerk war getan. Der Adjutant eilte mit einem Kelch voll perlender, prickelnder goldfarbener Flüssigkeit herbei. Der Führer dachte flüchtig daran, dass es bald an der Zeit sei, sich in die privaten Gemächer zurück zu ziehen, um mit seinen fetten Weibern eine wüste Orgie zu feiern. Das Bad in der Menge erzeugte in ihm immer eine gewisse geschlechtliche Erregung. Er stellte sich vor, wie ihn die Frauen mit ihren grossen dicken Brüsten ganz bedeckten, auf dass er herzhaft und mit grossem Appetit in sie hineinbeissen konnte. Aber er konnte sich nicht lange bei solchen süssen Gedanken aufhalten. Der Adjutant sagte nämlich höflich, aber mit einer gewissen Bestimmtheit: «Exzellenz, Führer und Majestät, Herr von und zu Bockfuss ist jetzt bereit zum Rapport.» «Was!» brauste Sancho da auf, «wer ist dieser Bockfuss, dass er es wagt, meine Ruhe zu stören?! Siehst du denn nicht, du Hund, dass ich in Gedanken versunken bin? Die Nacht ist tief, und tiefer als der Tag gedacht. Merk dir das! Verstanden?!»
Montag, 3. August 2009
Traurige Jäger (7)
Inzwischen lagen sich in der Arrestzelle Don Quichotte und Sancho Pansa in den Armen, gerührt darüber, endlich wieder vereint zu sein. Don Quichotte erzählte ausführlich, was vorgefallen war, Wie er sich einem Indianer gleich an den Maschinenpark herangeschlichen habe, Iein schwarzer Schatten in der Nacht; wie er, Don Quichotte, langsam und ohne auch nur zu atmen seine Laserpistole gehoben habe und mit einer Salve aus Licht und Lärm über de Cerebraner hergefallen sei, so dass dieser fast augenblicklich seinen Geist habe aufgeben müssen. Die Menschen aber seien undankbare Ignoranten, eingebildete Schwachköpfe, cabrones und calabazos. So sässen sie beide denn nun in Gottes Namen hier in diesem Loch, nicht einmal mit dem Nötigsten, nämlich Wasser und Brot, versehen. Aber Don Quichotte sprach schon seit einiger Zeit ins Leere, denn Sancho, für den es ein langer und ereignisreicher Tag gewesen war, war nun sanft eingeschlafen, was sich an langen, regelmässigen Atemzügen erkennen liess, die allmählich in ein fürchterliches Schnarchen übergingen, ein Geräusch, das Don Quichotte so vertraut und lieb war, dass auch ihn der Schlummer übermannte.
Don Quichotte träumte (aber vielleicht war es gar kein Traum, sondern durch Zauberei möglich gewordene Wirklichkeit), das es ihnen, nämlich ihm selbst und seinem Assistenten Sancho Pansa, gelang, ihr Gefängnis zu verlassen. Und zwar gelang es ihnen unter Zuhilfenahme solcher Phänomene wie Unsichtbarsein, Durchdiewändegehenkönnen etc., die Arrestzelle und auch den Maschinenpark unbeschadet und ohne von Kugeln durchlöchert zu werden zu verlassen. Natürlich mussten sie als erstes ihre Lufthunde finden. Die hatten ihre Gestalt inzwischen auch gewandelt und sahen nun nicht mehr wie Fahrräder aus, sondern präsentierten sich, wie Sancho fand, in einer äusserst kuriosen Form. Ihrer wahren Form, wie Don Quichotte erklärte. Lufthunde seiner Fahrzeuge oder Reittiere – gleichviel: einfach Fortbewegungsmittel –, mit denen man nicht nur durchs Wasser, durch die Luft und auf der Erde reisen, sondern auch durch die Zeit, vorwärts und rückwärts, mehr noch, sogar durch den n-dimensionalen Raum. Was ein n-dimensionaler Raum sei, verstehe er, Sancho Pansa, mit seinem schlichten Gemüt wohl kaum, falle es doch sogar ihm selbst, Don Quichotte, schwer, sich diesen Raum ganz plastisch vorzustellen. Das gebe er ganz unumwunden zu. Sancho bestätigte gern, dass er von n-dimensionalen Räumen nichts verstand. Verwundert und mit einigem Respekt begutachtete er die verwandelten Fahrräder, die sich da so wundersam teleologisch entfaltet und zu ihrer wahren Form gefunden hatten (Sancho dachte natürlich nicht in Begriffen wie der der teleologischen Entfaltung und der wahren Form, sondern staunte einfach bloss). Die Lufthunde hatten jetzt als Vorderleib, gewissermassen, die Form eines Hundes, und zwar eher eines Windhundes oder noch eher eines Greyhounds als eines Schäferhundes oder gar eines Dackels. Allerdings wuchsen ihnen Flügel aus den Schulterblättern, was sonst bei Hunden ja eher nicht vorkommt. Der hintere Teil der Lufthunde endete nicht in einem Schwanz, jedenfalls nicht in einem Hundeschwanz, sondern viel eher in einem Fischschwanz oder einer Schwanzflosse, wie man sie gemeinhin bei Meerjungfrauen und anderen Vertretern der Gattung der Pisces findet. Um den Hals trugen sie überdimensionierte Armbanduhren aus einem weichen, nachgiebigen Material wie die zerfliessenden Uhren von Salvador Dalì, welcher ein spanischer Maler und damit ein Landsmann von Don Quichotte und Sancho Pansa war. Item. Diese zerfliessenden Armbanduhren, die man in diesem Fall korrekt als Halsbanduhren bezeichnen sollte, und das Zifferblatt in den Farben des Regenbogens lag auf der oberen Seite des Halses.
So standen die Lufthunde also da und wedelten einladend mit dem meerjungfrauenhaften Fischschwanz. Aber Sancho, wie sich die geneigte und mit einem feinen psychologischen Gespühr ausgestattete Leserschaft sicher schon selber denkt, dachte natürlich gar nicht daran, sich in den Sattel zu schwingen. Er fand tausend Gründe, die gegen das Besteigen von Lufthunden sprachen, hielt dafür, dass er zu schwer sei für das zierliche Tier (oder Ding), führte an, dass ihm in der Luft und vornehmlich in grosser Höhe schwindlig werde, dass er noch nie einen Lufthund gefahren oder geritten habe und deshalb nicht wisse, wie die Sache zu steuern sei, und überhaupt, er sei weder John Wayne noch Old Shatterhand, sondern Sancho Pansa und darauf geschissen. Aber Don Quichotte mit seinem schier unbegrenzten Vertrauen auch in Erscheinungen, Vorkommnisse und Ereignisse ausserhalb der Norm und seiner wahrhaft übermenschlichen Überzeugungskraft brachte Sancho schliesslich doch noch dazu wenigstens einen Flug-, Reit- oder Schwimmversuch zu wagen.
Kaum, dass sie mehr oder weniger bequem auf dem Rücken der braven Fortbewegungsmittel sassen, fühlten sie sich auf die seltsamste Art und Weise durch die Luft und den Raum eher gesogen als geflogen, auch war die Geschwindigkeit, mit der sie reisten, so enorm, dass es ihnen alle Gedanken, ja den allergrössten Teil der bewussten Wahrnehmung überhaupt, aus dem Hirn heraus blies, so dass sie später weder sagen konnten, ob die Reise lang oder kurz gewesen, angenehm oder unangenehm verlaufen sei.
Don Quichotte träumte (aber vielleicht war es gar kein Traum, sondern durch Zauberei möglich gewordene Wirklichkeit), das es ihnen, nämlich ihm selbst und seinem Assistenten Sancho Pansa, gelang, ihr Gefängnis zu verlassen. Und zwar gelang es ihnen unter Zuhilfenahme solcher Phänomene wie Unsichtbarsein, Durchdiewändegehenkönnen etc., die Arrestzelle und auch den Maschinenpark unbeschadet und ohne von Kugeln durchlöchert zu werden zu verlassen. Natürlich mussten sie als erstes ihre Lufthunde finden. Die hatten ihre Gestalt inzwischen auch gewandelt und sahen nun nicht mehr wie Fahrräder aus, sondern präsentierten sich, wie Sancho fand, in einer äusserst kuriosen Form. Ihrer wahren Form, wie Don Quichotte erklärte. Lufthunde seiner Fahrzeuge oder Reittiere – gleichviel: einfach Fortbewegungsmittel –, mit denen man nicht nur durchs Wasser, durch die Luft und auf der Erde reisen, sondern auch durch die Zeit, vorwärts und rückwärts, mehr noch, sogar durch den n-dimensionalen Raum. Was ein n-dimensionaler Raum sei, verstehe er, Sancho Pansa, mit seinem schlichten Gemüt wohl kaum, falle es doch sogar ihm selbst, Don Quichotte, schwer, sich diesen Raum ganz plastisch vorzustellen. Das gebe er ganz unumwunden zu. Sancho bestätigte gern, dass er von n-dimensionalen Räumen nichts verstand. Verwundert und mit einigem Respekt begutachtete er die verwandelten Fahrräder, die sich da so wundersam teleologisch entfaltet und zu ihrer wahren Form gefunden hatten (Sancho dachte natürlich nicht in Begriffen wie der der teleologischen Entfaltung und der wahren Form, sondern staunte einfach bloss). Die Lufthunde hatten jetzt als Vorderleib, gewissermassen, die Form eines Hundes, und zwar eher eines Windhundes oder noch eher eines Greyhounds als eines Schäferhundes oder gar eines Dackels. Allerdings wuchsen ihnen Flügel aus den Schulterblättern, was sonst bei Hunden ja eher nicht vorkommt. Der hintere Teil der Lufthunde endete nicht in einem Schwanz, jedenfalls nicht in einem Hundeschwanz, sondern viel eher in einem Fischschwanz oder einer Schwanzflosse, wie man sie gemeinhin bei Meerjungfrauen und anderen Vertretern der Gattung der Pisces findet. Um den Hals trugen sie überdimensionierte Armbanduhren aus einem weichen, nachgiebigen Material wie die zerfliessenden Uhren von Salvador Dalì, welcher ein spanischer Maler und damit ein Landsmann von Don Quichotte und Sancho Pansa war. Item. Diese zerfliessenden Armbanduhren, die man in diesem Fall korrekt als Halsbanduhren bezeichnen sollte, und das Zifferblatt in den Farben des Regenbogens lag auf der oberen Seite des Halses.
So standen die Lufthunde also da und wedelten einladend mit dem meerjungfrauenhaften Fischschwanz. Aber Sancho, wie sich die geneigte und mit einem feinen psychologischen Gespühr ausgestattete Leserschaft sicher schon selber denkt, dachte natürlich gar nicht daran, sich in den Sattel zu schwingen. Er fand tausend Gründe, die gegen das Besteigen von Lufthunden sprachen, hielt dafür, dass er zu schwer sei für das zierliche Tier (oder Ding), führte an, dass ihm in der Luft und vornehmlich in grosser Höhe schwindlig werde, dass er noch nie einen Lufthund gefahren oder geritten habe und deshalb nicht wisse, wie die Sache zu steuern sei, und überhaupt, er sei weder John Wayne noch Old Shatterhand, sondern Sancho Pansa und darauf geschissen. Aber Don Quichotte mit seinem schier unbegrenzten Vertrauen auch in Erscheinungen, Vorkommnisse und Ereignisse ausserhalb der Norm und seiner wahrhaft übermenschlichen Überzeugungskraft brachte Sancho schliesslich doch noch dazu wenigstens einen Flug-, Reit- oder Schwimmversuch zu wagen.
Kaum, dass sie mehr oder weniger bequem auf dem Rücken der braven Fortbewegungsmittel sassen, fühlten sie sich auf die seltsamste Art und Weise durch die Luft und den Raum eher gesogen als geflogen, auch war die Geschwindigkeit, mit der sie reisten, so enorm, dass es ihnen alle Gedanken, ja den allergrössten Teil der bewussten Wahrnehmung überhaupt, aus dem Hirn heraus blies, so dass sie später weder sagen konnten, ob die Reise lang oder kurz gewesen, angenehm oder unangenehm verlaufen sei.
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