Mittwoch, 25. Februar 2009

Pragmatismus!




«Du nennst es Pragamatismus, ich bezeichne deine Haltung als Prinzipienlosigkeit, als Opportunismus. Du bist doch einer, der, weil er keinen Glauben hat, sein Fähnchen in jeden Wind hängt, der um seines Vorteils willen jederzeit geschmeidig seine Strategien und Meinungen ändert. Gib es doch zu: deine Haltung ist Bequemlichkeit. Du weichst Auseinandersetzungen aus. Du bist harmoniesüchtig. Du willst keinen Streit und schon gar keinen Krieg, darum legst du dir schon rein prophylaktisch gar nicht erst Überzeugungen zu. Du müsstest sie ja vielleicht verteidigen! Gegen andere! Nein, nein, das willst du nicht: Du willst geliebt werden, du willst Anerkennung um fast jeden Preis. Bei jemandem wie dir dreht sich mir der Magen um.»
«Es ist zwar hart ausgedrückt – was du sagst, trägt aber ein Körnchen Wahrheit in sich. Ja, ich habe keinen festen Glauben. Nein, ich vertrete keine Ideologie. Und nein, ich bin nicht stolz darauf. Es ist einfach so: Selbst wenn ich es wollte, könnte ich es nicht. Glauben lässt sich nicht erzwingen. Meine Weltanschauung ist brüchig, sozusagen von Natur aus. Ich bin nun mal ein Windhund; ich kann auch nicht aus meiner Haut heraus. Natürlich könnte ich mir Mühe geben, wenigstens das. Aber ob da was Rechtes dabei herauskommen würde? Es darf bezweifelt werden. Es muss bezweifelt werden. Denn wer Prinzipientreue, Glaubensfestigkeit und Überzeugung nur vorgibt, ist doch nichts anderes als ein grausamer Zyniker, ein Manipulator und obendrein ein gnadenloser Egoist – schlimmer als der schlimmste Überzeugungstäter, der zwar über Leichen geht, aber wenigstens meint, was er vertritt. Wer seine Überzeugungen nur vorgibt, soll doch gleich in die Politik gehen.»
«Ich bin jemand, der kompromisslos für seine Überzeugungen einsteht. Ich kämpfe für sie, ich verteidige sie, ich lasse mein Leben für sie. Ich bin ein heroischer Mensch – und du bist ein Waschlappen. Wenn du mich als fanatisch oder gar fundamentalistisch bezeichnen willst – bitte, nur zu. Ich habe nichts dagegen. Ich glaube an Gut und Bös, Falsch und Richtig, Schwarz und Weiss. Nur so habe ich die Möglichkeit, mich auf die richtige Seite zu schlagen.»
«Ja, ich weiss, und ich bin der, der als Zuschauer irgendwo im Halbschatten sitzt. Keine sehr glanzvolle Rolle, zugegeben. Ich bewege mich lieber in der Welt der Zwischentöne als auf dem Schlachtfeld der harten Kontraste. Aber einen Standpunkt habe ich schon; oder vielmehr ein Lebensprinzip. Man könnte es eine gewissermassen darwinistische Lebenshaltung nennen: das evolutionäre Prinzip des Try and Error. Es ist die Haltung des ewigen Studenten, der sich der Wahrheit, mit aller Bescheidenheit, höchstens ein bisschen annähern, sie aber niemals erreichen und schon gar nicht in Besitz nehmen kann. Auch ich muss Entscheidungen treffen – aber diese Entscheidungen fälle ich eher aus einem Abwägen heraus im Bewusstsein, dass es immer mehrere Wege gibt und nicht die eine richtige Lösung. Dein Leben ist ein Entweder-oder, meins ein Sowohl–als auch. Aber schon wahr, in meiner Haltung ist die Bequemlichkeit und das Ausweichen vor Konflikten und der billige, allzu billige Kompromiss als Gefahr sehr mit angelegt. Und der Zweifel, der manchmal zur Verzweiflung führen kann. Allerdings habe ich an meiner Seite als machtvolle Helfer die Neugier. Und den Respekt vor dem Fremden. Und die Liebe – die Liebe ist vielleicht das Wichtigste.»
«Ach ja, die Liebe – da wären wir wieder! Die Liebe! Die haben wir auch, aber die Richtige! Und zu unserer Liebe gehört auch der richtige Hass. Du kannst dir deinen Pragmatismus sonst wohin stecken, du… du… feiger Gutmensch du! Und jetzt fahr zur Hölle!»

Freitag, 20. Februar 2009

Die Seltsamifikation der Welt (in meinem Kopf)




Die Seltsamifikation der Welt schreitet unaufhaltsam voran, denkt Felix an diesem bitterkalten Morgen, als er in Zürich-Oerlikon aus dem Zug steigt und seine Schritte in Richtung der Sunrise-Tower lenkt, um sich ins Büro zu begeben (Büro? Was soll das sein?). Er sieht Wesen, die auf zwei Beinen gehen, und ist von diesem ungewohnten Anblick fast ein wenig peinlich berührt. Warum marschieren diese Tiere auf zwei Beinen und alle in die gleiche Richtung? Er hört das Toc-toc der vielen Füsse, die auf harten Sohlen gehen – das Toc-toc der weiblichen Exempalre dieser Gattung ist etwas lauter als jenes der Männchen, die im Allgemeinen auf leiseren Sohlen gehn – und dieses akustische Hintergrundflimmern erhöht noch seinen Zustand der Seltsamifikation. Nein, Felix ist nicht bekifft, er kifft nicht mehr in seinem Alter und schon gar nicht am frühen Morgen. Er braucht nicht mehr zu kiffen, um in einen Zustand der Seltsamifikation zu geraten, der manchmal wunderbar sein kann, mitunter aber auch grösslich grässlich

Donnerstag, 19. Februar 2009

Wenn ich die Politikerinnen und Politiker im Fernsehen sehe und vor allem höre, die eigenen natürlich, aber auch die ausländischen, dann kann ich gar nicht begreifen, wie noch jemand ihren Worten den geringsten Glauben schenken kann. Überall wird Theater gespielt, was vorgegaukelt, so getan als ob, werden Lösungen versprochen, die keine sind, oder ein Durchblick vorgetäuscht, der keineswegs vorhanden ist. Ja, es ist im Allgemeinen nicht einmal der gute Wille vorhanden, Lösungen zu finden, wie vorgegeben wird, sondern es dominieren Eitelkeit, Geltungsdrang, Machthunger und egoistische Bereicherungssucht. Das gilt übrigens nicht nur für die Politik, sondern auch für weite Teile des Wirtschaftslebens. Manchmal stosse ich auf ein Interview mit einem wirklich klugen Wissenschaftler oder einem wahren Intellektuellen, und dass ich es jeweils so als Highlight empfinde, dessen Ausführungen zu folgen, zeigt, wie sehr ansonsten das Mittelmass (um nicht zu sagen: eine mehr schlecht als recht verhüllte Dummheit) regiert.
Nein, es sieht nicht so aus, als ob wir die Zukunft im Griff hätten – nicht als Einzelne, aber auch nicht als Nation oder gar als ganze Menschheit. So was wie Nachhaltigkeit ist doch nicht mehr als ein frommer Wunsch. Die Wahrheit ist: Genauso wenig, wie wir uns um das Allgemeinwohl kümmern, scheren wir uns einen Dreck um die Nachwelt oder um kommende Generationen. Wir betreiben unsere «Ich-AGs» und der Rest kann den Bach runter gehen. Die, die kommen, werden selber schauen müssen. Nehmen wir beispielsweise das Klima. Seriöse Wissenschafler gehen davon aus – so genannt anerkannte Wissenschafler, die Lehrstühle an renommierten Universitäten haben, Klimatologen und Meterologen, nicht etwa irgendwelche Ökofundis oder Weltunterhangspropheten –, dass die Menschen in ein paar wenigen Generationen mit einem Klima wird leben müssen, das durchschnittlich bis zu 10 Grad wärmer sein wird, als es noch in meiner Kindheit war (die ersten paar Grad haben wir bereits einkassiert). Gut, wir selbst werden die 10 Grad nicht mehr erleben, aber die heutigen Kinder wahrscheinlich schon, wenn die 80 oder 100 werden. Und was geschieht? Nichts!

Die Klimaerwärmung, erfuhr ich unlängst in einer hochinteressanten Dokumentation im Fernsehen, geht viel schneller vonstatten, als man sich das vorgestellt hat, und zwar aus den folgenden Gründen. Es gibt zwei Phänomene, die die Temperaturentwicklung unseres Klimas beeinflussen: das eine ist die Verdunkelung, auf Neudeutsch Globel Dimming, 1985 vom ETH-Professor Atsumu Ohmura entdeckt, das andere der Treibhauseffekt. Was die Verdunkelung ist, lässt sich einfach erklären. Wenn der Himmel bewölkt ist, ist es sofort weniger warm, als wenn die Sonne scheint. Eine Wärmereduktion durch Verdunkelung lässt sich auch beobachten, wenn ein grosser Vulkanausbruch stattfindet. Der Ausbruch des Krakataus im Jahr 1883 zum Beispiel löste nicht nur eine Flutwelle („Tsunami“) aus und kostete 30'000 Menschen das Leben, sondern es wurden auch 16 km³ Asche (bei den heftigen Ausbrüchen des Mount St. Helens und dem Pinatobu waren es unter 1 km³) bis 80 km hoch an die Grenze der Atmosphäre geschleudert, wodurch auf der Nordhalbkugel die Durchschnittstemperatur um 0,5 bis 0,8° Celsius sank und einen ungewöhnlich kühlen, verregneten Sommer mit katastrophalen Missernten zur Folge hatte. Die Verdunkelung kann aber auch auf weit weniger spektakuläre Ursachen zurückgeführt werden: zum Beispiel auf Luftverschmutzung, Smog, Kondensstreifen von Flugzeugen etc.

Sollen wir nun also die Luftverschmutzung anheizen, um die Klimaerwärmung einzudämmen? Keine gute Lösung, denn die Luftverschmutzung verursacht u.a. Atemwegserkrankungen, Krebs und weitere Garstigkeiten medizinischer Art. Wir können und müssen also die Luftverschmutzung eindämmen – mit Katalysatoren, Russpartikelfiltern und ähnlichem. Das geschieht auch. Damit heizen wir aber die globale Erwärmung weiter an, welche bis jetzt von Global Dimming gebremst wurde (das Sonnenlicht, das bis zur Erdoberfläche gelangt, nahm seit den späten 1950er Jahren weltweit um etwa 10 Prozent ab). Und gegen die Ursachen des Treibhauseffekts wird gleichzeitig weiterhin sozusagen nichts getan.

Wir wollen uns in der heutigen Schulfunksendung die beiden Phänomene – Verdunkelung und Treibhauseffekt – noch etwas genauer anschauen. Über die letzten 40 Jahre hat sich die Tageslichtintensität durch Verdunkelung zwischen 8 % und 30 % verringert. Diese Schwankungen unterliegen regionalen Unterschieden. So ist die höchste Verdunklung auf dem Gebiet von Russland zu messen. Auf dem afrikanischen und amerikanischen Kontinent ist die Verdunklung mit ungefähr 15 % gemessen worden. Die geringste Verdunklung ist auf dem nordeuropäischen Kontinentteil und dem australischen Kontinent zu erkennen. Inwieweit das Rückschlüsse auf das Umweltbewusstsein der Einwohner gibt, muss in einer tiefergehenden Erforschung geklärt werden.

Gründe und Auswirkungen

Derzeit geht man davon aus, dass dieser Effekt auf die erhöhte Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre zurückzuführen ist. Diese entstehen bei der Verbrennung organischer Materie (Holz, Kohle, Öl, Gas). Dementsprechend sind die wichtigsten Verursacher die grossen Industrienationen in Asien, Nordamerika und Europa. Aber auch brennende Ölquellen in Kuwait oder Brandrodungen des Regenwaldes, etwa in Brasilien, sind als Ursachen zu nennen.
Die ausgestossenen Kleinstpartikel absorbieren zum einen das Sonnenlicht, zum anderen kondensiert an ihnen Wasser, und es bilden sich helle Wolken, die das Sonnenlicht ins All reflektieren. Weniger Sonnenlicht bedeutet zum einen die Abkühlung der Atmosphäre, zum anderen aber auch weniger Verdunstung am Boden und somit weniger Niederschlag. Der Boden ist feuchter, es gibt mehr Wolken, aber es regnet weniger.
Globale Verdunkelung hat, wie gesagt, einen der Globalen Erwärmung entgegengesetzten Effekt. Während die Globale Verdunkelung durch Reflektion der Sonnenstrahlen das Klima abkühlt, erhitzten Treibhausgase wie CO2 und FCKW die Atmosphäre. Diese Auswirkungen haben sich in den letzen 100 Jahren die Waage in etwa gehalten. Mit der zunehmenden Filterung von Abgasen in der Welt steigt proportional dazu die Globale Erwärmung. Da die Temperatur in den letzten 100 Jahren um 0,6 °C gestiegen ist, beruhen alle derzeitigen Klimamodelle auf der trügerischen Annahme, dass das Klima robuster gegenüber dem Treibhauseffekt ist als ursprünglich angenommen. Einerseits wirkt sich der Effekt der Globalen Verdunkelung stärker abkühlend aus, andererseits ist auch der erhitzende Treibhauseffekt viel stärker als bisher prognostiziert.
Man geht davon aus, dass die globale Verdunkelung durch ihre abkühlende Wirkung das bisherige Ausmass des Treibhauseffekts gedämpft hat. Erfolgreiche Massnahmen zur Bekämpfung der Globalen Verdunkelung (Verringerung des Partikelausstosses durch Filter usw.) und damit einhergehend eine Verringerung der Globalen Verdunkelung könnten also bedeuten, dass die Erwärmung des Klimas nicht wie bisher von manchen Klimaforschern angenommen bis zum Jahr 2100 «nur» 5°Celsius beträgt, sondern unvorstellbare 8 bis 10 Grad.
Einige Klimaforscher haben die Hypothese aufgestellt, dass die von Flugzeugen verursachten Kondensstreifen einen Beitrag zur Globalen Verdunkelung leisten, doch der stetige Luftverkehr liess eine Überprüfung der Hypothese nicht zu. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 galt für 3 Tage ein Flugverbot für die gesamten USA . In dieser Zeit wurde dort beobachtet, dass die Temperaturdifferenz zwischen Tag und Nacht um 1,1 °C höher war als einen Tag vor oder nach dem Flugverbot. Die Aussagekraft einer einzigen Messung über einen derart kurzen Zeitraum ist jedoch, verglichen mit jahrzehntelangen Messreihen, gering.

Wie gesagt: Zur Bekämpfung des Treibhaus-Effekts geschieht – parallel zu Reduktion der Verdunkelung – also gleichzeitig sozusagen nichts. Zwar gibt es bekanntlich das Kyoto-Protokoll. Das Kyoto-Protokoll ist ein Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen für den Klimaschutz. Es schreibt verbindliche Ziele für die Verringerung des Ausstosses von Treibhausgasen fest, welche als Auslöser der globalen Erwärmung gelten. Die reglementierten Gase sind: Kohlendioxid (CO2, dient als Referenzwert), Methan (CH4), Distickstoffoxid (Lachgas, N2O), Teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFCs), Perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6).
Die Vertragsstaaten haben das Ziel, ihre Emissionen bis zum Jahre 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Die einzelnen Länder haben dabei unterschiedliche Vorgaben, die vor allem von ihrer wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Für die EU ist eine Senkung der Emissionen um 8 Prozent vorgesehen, Russland und die Ukraine haben sich dazu verpflichtet, das Emissionsniveau von 1990 nicht zu überschreiten und für die boomende Volksrepublik China, das wirtschaftlich rasch wachsende Indien und für die Entwicklungsländer sind gar keine Beschränkungen vorgesehen.
Das Protokoll wurde 1997 verhandelt und auch verabschiedet. Es sollte jedoch erst in Kraft treten, sobald mindestens 55 Staaten, die zusammengerechnet mehr als 55% der Kohlenstoffdioxid-Emissionen des Jahres 1990 verursachten, das Abkommen ratifiziert haben. Die Zahl von mindestens 55 teilnehmenden Staaten wurde mit Islands Ratifikation am 23. Mai 2002 erreicht. Mit Russlands Ratifikation unter Putin am 18. November 2004 mit etwa 18 % Anteil der CO2-Emissionen wurde auch die zweite Bedingung erfüllt, worauf das Kyoto-Protokoll 90 Tage nach der Ratifizierung durch das Russische Parlament am 16. Februar 2005 in Kraft trat. Zu diesem Zeitpunkt hatten 141 Staaten ratifiziert, die zusammen 85% der Weltbevölkerung und einen CO2-Ausstoß von 62% abdeckten.
Einige Staaten, wie die USA, Australien, Kroatien und das Fürstentum Monaco haben das Protokoll zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Mehrere OPEC-Staaten haben hingegen ihre Vorbehalte aufgegeben und ratifiziert. Allerdings haben die meisten beigetretenen Staaten ihren Kohlendioxid-Ausstoss seit 1990 drastisch erhöht, so dass das ursprüngliche Ziel der Industrieländer, die Emissionen um durchschnittlich sechs bis acht Prozent zu senken, in weite Ferne gerückt ist.

Über die Folgen der globalen Erwärmung lässt sich heute bloss spekulieren. Aber eines ist sicher: Sie werden unvorstellbar unangenehm sein. Einen kleinen Vorgeschmack haben wir in den letzten Jahren durch Unwetter, Stürme, Hitzeperioden, Überschwemmungen etc. erhalten. Was durch «Catrina» in New Orleans geschehen ist, hätte man noch vor kurzem als Schauermärchen aus den Filmküchen Hollywoods abgetan. Ozeane werden steigen, Land wird im Meer versinken, das Eis in der Arktis schmilzt, Reisernten bleiben aus, Flüssen treten über die Ufer. Apokalyptische Szenarien werden zur Alltäglichkeit. Weltweit stirbt eine immer grössere Anzahl von Menschen an den Folgen der Hitze (im Jahr 2000 waren es weltweit bereits 150'000, in «unserem» Hitzesommer 2003 waren es europaweit etwa 30'000 Menschen). Der Klimawandel bedroht jede zweite Pflanzenart in Europa. Dass es in 100 Jahren keine Eisbären mehr geben wird, ist noch das kleinste Problem. Nur die Fliegen und andere Insekten werden den Klimawandel unbeschadet überstehen. Sie werden fruchtbar sein und sich mehren, so wie es einst die Dinosauriern taten und dann die Menschen nach biblischem Gebot und mit den zu erwartenden Folgen in einer Geschichte, die demnach – zumindest auf dieser Ebene – nie und nimmer ein Happy-end haben kann.

Samstag, 7. Februar 2009

Games people play



Die New Yorker haben eine sehr eigenartige Form der Kommunikation. Sie sprechen dich unvermittelt an, so nebenbei in einem leicht nuschelnden Plauderton, als würden sie dich schon lange kennen, werfen dir irgendeine meist nebensächliche Bemerkung an den Kopf und wenden sich dann gelassen wieder von dir ab. Aber vielleicht erscheint das nur so, und Felix kann einfach ihren Code nicht knacken. Auf jeden Fall ist für ihn die Art der US-Amerikaner, zu kommunizieren, weitaus seltsamer als beispielsweise die Kommunikation der Indonesier. Gut, das kann daran liegen, dass er die Indonesier eben besser kennt, aber es ist schon eigenartig, da eine Stadt wie New York doch eigentlich sehr europäisch geprägt ist. Auf jeden Fall kommt Felix hier kein einziges Mal mit jemandem in ein ernsthaftes Gespräch (ausser einmal, aber das ist mit einem Chinesen). Vielleicht liegt das ja auch an Felix. Anlass zu Small Talk gibt es oft, aber es ergibt sich nichts daraus, und Felix hat stark den Verdacht, dass er, weil er die entsprechenden Codes nicht kennt, falsch, das heisst unangemessen reagiert. Die Leute sprechen selbstverständlich auch hier, in diesem multiethnischen Schmelztiegel, miteinander, Felix hat es gesehen. Es ist allerdings nicht die Art von Felix, andere einfach anzuquatschen, was er wahrscheinlich tun sollte und was vielleicht von ihm erwartet wird und was ihn ziemlich sicher einige schöne Begegnungsmöglichkeiten kostet.
Felix besucht das Museum of the City of New York am Rand des Central Parks, wo per Zufall gerade ein Gospel-Konzert mit jungen Gesangstalenten aus Harlem, Brooklyn, der Bronx etc. stattfindet (das Museum ist auch sonst zu empfehlen, aber dieses Konzert ist der absolute Hammer). Die Kids sind alle so um die 15, 16 Jahre alt. Der Power dieser Stimmen und das Rythmusgefühl dieser Körper bewirkt, dass Felix das bekommt, was Aluk als Chicken Skin bezeichnet, wobei der sich jeweils über die Haut streicht und pantomimisch am ganzen Körper erschauert. Felix hat also Hühnerhaut, es stehen ihm sämtliche Haare zu Berg und es treibt ihm wieder einmal Tränen in die Augen (und es wässert nicht nur Felix, der nahe am Wasser gebaut hat oder ist). Einer der Jungen, der Vorsänger und heimliche Star der Truppe und eine gay queen, wie sie im Buche steht, ist ein echtes Talent, und Felix ist überzeugt davon, dass von diesem Talent die Welt des internationalen Showbiz noch hören wird

Sonntag, 1. Februar 2009

Amerika existiert





Nun ist Felix schon den dritten Tag in New York, und es stimmt also, Amerika existiert, Felix hat es mit eigenen Augen gesehen, die Brooklyn Bridge gibt es tatsächlich, und die Skyline von Manhattan, wenn man mit der Fähre nach Long Island fährt, an der Freiheitsstatue vorbei, die kleiner als erwartet und etwas verloren auf einem Inselchen hockt, oder steht, ist ebenfalls nicht nur aus einem Film, und ja, die Zwillingstürme sind wirklich nicht mehr da, Felix hat es mit eigenen Augen geprüft, dazu hat er eigens und trotz Flugangst (die allerdings mit Seresta etwas gedämpft wurde) die acht Stunden Flug von Zürich-Kloten nach New York JFK auf sich genommen. Es ist arschkalt in New York, jedenfalls war es das bis heute, jetzt ist Tauwetter angesagt, es war also arschkalt die letzten Tage und vor allem gestern war es geradezu sibirisch, auch wenn man sich das in den USA kaum zu schreiben getraut, angesichts des früheren Erzfeindes, aber es war auch absolut grossartig, wegen dieses Lichts, das es nur dann gibt, wenn es so klar und trocken und kalt ist wie soeben, Schönheit hat eben ihren Preis. Der Central Park ist also tief verschneit, auf einem zugefrorenen Weiher laufen die New Yorker an diesem freien Montag Schlittschuh (es ist Presidents Day, das hat etwas mit George Washington zu tun, der wahrscheinlich heute vor plusminus 200 Jahren geboren wurde, und im Fernsehen werden die ganze Woche schon die Amischlitten mit Presidents-Day-Rabatt angeboten), das Licht ist glitzernd und perlend und absolut umwerfend und fast noch schöner sind die Schatten, die dieses Licht wirft, die Schatten, die sich in den Formen und Linien der Architektur verlieren, und das Blau des Himmels, das sich abhebt gegen das unwahrscheinliche, fast schon surrealistische Panorama der Wolkenkratzer, das den rechteckigen Park umgibt, und die über den Schnee huschenden Eichhörnchen wollen natürlich in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden – ein bisschen Davos oder Sankt Moritz mitten in New York, wer hätte das erwartet?


Der Flug war kürzer als die neun Stunden, die angekündigt waren. Die Kontrollen bei der Einreise hat Felix sich auch schlimmer vorgestellt, Felix wird zwar fotografiert und ein Abdruck seines Daumens wird ihm auch abgenommen, das geht aber ganz schnell und routinemässig und die Beamten heissen halt Officer und nicht Grenzbeamte wie bei uns. Der junge schwarze Mann, der die Gäste für den Shuttle-Bus einsammelt, von Terminal eins bis neun, nennt Felix Papa, das ist aber nicht bös gemeint, so nennt er alle älteren Semester, nein, es macht Felix nichts aus, von einem jungen Mann, der sein Sohn oder schon fast sein Enkel sein könnte, Papa genannt zu werden (allerdings müsste dessen Mama, wenn Felix denn der Papa sein sollte, schon sehr schwarz sein), da guckt die elegante Dame, die der junge Schwarze Mama nennt, schon betupfter. Vom JFK aus fährt man etwa eine halbe Stunde lang rüber nach Manhattan, aber schon bald taucht die Skyline von Manhattan im Blickfeld auf: ein erster Höhepunkt der Reise. Rechts fällt der Blick auf einen Riesenfriedhof mit den Ausmassen einer kleinen Stadt, es ist der jüdische Beth Olom-Friedhof. Und schon hält der Bus in der Nähe der Grand Central Station, und von da sind es nur noch ein paar Schritte bis zum Hotel von Felix. Dieses Hotel ist absolut angemessen. So soll man in New York wohnen, denkt Felix befriedigt. Die Eingangshalle ist fast so grossartig wie die des Waldorf Astoria, mit Kristalllüstern und livrierten Kellnern oder so und natürlich mit einem Porträt von Präsident Roosevelt. Aber das Frühstück muss man sich in der edlen Halle bei Starbucks – in New York allgegenwärtiger als McDonalds – erstehen. Dann ist Felix bereits auf ausgedehnten Stadtwanderungen zwischen South Ferry und ganz oben beim Central Park, er ist auf der Brooklyn Bridge, er ist im Village (daselbst in der legendären Stonewall-Bar), er ist auf dem Empire State Building, im Museum of Art, aber nur im Eingangsbereich, da zu viele Leute (Presidents Day), auf der Fähre nach Staten Island und mehrmals zum Apéro in der wunderbaren Architektur der Grand Central Station (die Bars sind wirklich gediegen, wenn auch die Preise gesalzen, und das sowieso, NYC ist definitiv keine Stadt für Sparer – und keine für Raucher, denn rauchen darf man höchstens auf der Strasse, aber ganz sicher nicht in einer Bar).



Das Hotel Roosevelt, Ecke Madison Ave und 45th Street, ganz in der Nähe von Grand Central Station und Empire State Building, komme ihm kafkaesk vor, irgendwie, meint ein deutscher Geschäftsreisender, während er aus dem Lift tritt, zu seiner Begleiterin. Kafka, der unseres Wissens nie in Amerika war, hat ja tatsächlich einen Roman mit dem Titel «Amerika» geschrieben – Felix hat ihn vor vielen Jahren in Marokko gelesen, er hat ein zerfleddertes Exemplar dieses Titels in der Jugendherberge von Rabbat gefunden. In diesem Buch steht der Satz: «Als der sechzehnjährige Karl Rossmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickt er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.» Warum dem deutschen Geschäftsmann das Hotel Roosevelt kafkaesk vorkommt, kann Felix allerdings nur erraten, denn jetzt ist dieser Geschäftsmann samt Begleiterin schon um die Ecke verschwunden. Der Lift ist übrigens genau so, wie ein Lift in einem amerikanischen Hotel zu sein hat: irgendwie verspiegelt, altmodisch, asthmatisch keuchend, leider aber ohne hübschen Bellboy. Der Eingangsbereich ist grossartig, fast wie die Empfangshalle eines Theaters, mit Säulen, Stuckaturen, Marmorboden, Kronleuchtern, vergoldeten Verziehrungen, Jugendstil. In New York zu sein, hat für Felix übrigens auch etwas mit einem gewissermassen kafkaesken Gefühl der Unwirklichkeit zu tun, weil er an jeder Ecke an so vieles erinnert wird, dem er schon begegnet ist – im Film, auf Plakaten, auf Fotos –, das in der Realität aber ganz anders wirkt, in seiner dreidimensionalen Körperhaftigkeit, grösser, gleichzeitig gewöhnlicher und vielleicht gerade dadurch auch wieder spektakulärer. Felix begegnet im MoMA, dem Museum of Modern Art, und das ist an sich schon ein fast surreales Erlebnis, unzähligen Bildern, die er
schon hundertfach reproduziert auf Plakaten, Postkarten, in Kunstbüchern etc. gesehen hat, die kann er nun im Original bewundern, also in Originalgrösse und in Originalfarben, gerade zum Beispiel die Surrealisten, Dalis zerlaufende Uhren, Magrittes Trug-Bilder, aber natürlich auch die Picassos, Degas, Monet, oder die Amerikaner wie Rothko, Rauschenberg, Jackson Pollock natürlich oder auch Edward Hopper. Erstaunlicherweise hat Felix das Gefühl, dass die Originale viel unechter wirken als die Kopien. Das Museum selbst ist allein schon ein visuelles Ereignis; das neue MoMA ist ja erst etwa zwei Jahre alt und wurde von einem japanischen Architekten gebaut oder umgebaut.
Felix ist vor allem zu Fuss unterwegs, als Stadtwanderer in den Wanderschuhen, die er auch trägt, um in Zürich auf den Hausberg, den Üetliberg, zu wandern oder vielmehr in robertwalserscher Manier zu spazieren. Manchmal ist er auch mit der rumpelnden und rasselnden Subway unterwegs, die er sich auch irgendwie gefährlicher vorgestellt hat; das Gefühl, in dieser Subway zu fahren, ist aber kein anderes als das Gefühl, in Zürich in der S-Bahn oder im Tram zu hocken – nur, dass die New Yorker wohlerzogener wirken als die Zürcher (und dass es in Zürcher Trams mehr durchgeknallte Typen zu haben scheint als in der New Yorker Sub). Aber es ist natürlich interessanter, zu Fuss unterwegs zu sein, vor allem in dieser Stadt, und Felix ist also unterwegs von der Südspitze Manhattans in den Norden, ist unterwegs im Village und im Central Park oder am Times Square, beobachtet und macht Fotos und, wir schwören es, er wird dabei mindestens ein Dutzend mal nach dem Weg gefragt, trotz oder gerade wegen der Wanderschuhe an seinen Füssen, und zwar nicht von japanischen Touristen, sondern von waschechten Amis! Das macht ihn ganz stolz, unseren Touristen aus den Schweizer Bergen. In solchen Momenten merkt er bei sich, dass er der Sohn seines Vaters ist, der in genau so einer Situation ebenfalls stolz auf sich gewesen wäre.

Stilfragen...

...sind Fragen der Substanz. Ein Redner, der ein kontroverses Thema nicht zu Lasten der Vorurteile (auch seiner eigenen) zu vertiefen bereit ist, kann nicht der Rechte sein, es hinreichend zu behandeln. Welches Kriterium haben wir für die Vertrauenswürdigkeit eines Politikers bevor er zur Tat schreitet, als die Umsicht seiner Sprache? Der Beweis, dass die reduzierte Sprache ein Unglück war, wird leider meist erst dadurch erbracht, dass ein noch grösseres passiert.
(Adolf Muschg, O mein Heimatland. Suhrkamp 1998)