Sonntag, 20. September 2009
20. September
Heute ist Id'ul Fitri, der Tag des Fastbrechens für Millionen von Muslimen in der ganzen Welt. Fendi, mein Partner, hat zwar nur spordaisch gefastet, gefestet wird heute gleichwohl. Während ich mit schmerzender Hüfte vor dem Computer sitze, gelangt eine bunte Geräuschkulisse aus javanischen Gesprächsfetzen, indonesischem Gesang und leisem Fernsehmurmeln an mein Ohr. Und es duftet! Leider ist meine Handykamera kaputt und die mit den Supercard bestellte Kamera noch nicht bei mir eingetroffen, so dass ich die Bilder zur Beschreibung leider nicht liefern kann. Die schmerzende Hüfte kommt übrigens nicht vom Sport oder von sonstigen Eskapaden, sondern wahrscheinlich von einem Reumathismus oder einem artritischen Schub, also vom Alter. Seit Freitagmorgen kann ich mich also kaum mehr dem täglichen Vergnügen des Bauchtanzes frönen. Und im Bett liegen - etwas, was ich sonst sehr gern mache - ist momentan auch kein ungetrübtes Vergnügen. Aber jetzt werde ich zum Essen gerufen.
Mittwoch, 16. September 2009
Traurige Jäger (10)
Ein weiteres Gerücht, von dem ich gehört habe, wenn Sie erlauben. Schauplatz Mumbai, im Büro von Phanishwa Singh. Einem vollgeklonten B-Typen, der für die Gebiete Finanzwesen und Controlling programmiert ist. Oder vielmehr war. Phanishwa Singh seit mehr als acht Stunden am Bildschirm, eine wichtige Revision musste abgeschlossen werden für eine Firma in Dubai, London oder Singapur. Was irgendwann während dieser acht Stunden mit Phanishwa Singh passiert ist, weiss bis heute niemand. Eine nachträgliche Überprüfung des Computers ergab nichts Aussergewöhnliches. Möglich, dass sich temporär ein Cerberaner in das System eingeschaltet, eingeschlichen oder eingehackt hat, später aber wieder spurlos daraus verschwunden ist. Andertags hielt Phanishwa Singh jedenfalls, statt die Resultate der Revision zu raportieren, ein Aufsehen erregendes Referat, das für viel Verwirrung sorgte. Phanishwa Singh sprach nämlich in fremden Zungen, einem altertümlichen Idiom, mit dem er sicherlich nie in seinem Leben in Berührung gekommen war. Auch schien es so, als hätte sich Phanishwa Singh gänzlich aus seiner Person und seiner Zeit entfernt und wäre ein völlig anderer geworden, unberührbar für die Gegenwart. Mit grossem Pathos hat er nämlich Folgendes rezitiert: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen! Im Jahre 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften und die Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt, undsoweiterundsofort der Unsinnigkeiten mehr. Phanishwa Singh ist seither überzeugt, der längst verstorbene Dichter und Naturwissenschaftler Georg Büchner zu sein und in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zu leben. Derart, Herr von und zu Bockfuss, stiften die Cerberaner Verwirrung!»
«Gerüchte, Herr Botschafter von Toboso, Gerüchte», meinte Herr von Bockfuss cool. «Ich will ja nicht bestreiten, dass die Cerbereaner nach wie vor in einem gewissen Grad aktiv sind. Und sie können uns glauben, dass wir – allerdings auf unsere Weise – alles tun, um sie unschädlich zu machen.
Die Cerberaner Sind, sie sagen es selbst, verdammt geschickt darin, sich zu tarnen. Wie aus dem Nichts tauchen sie mal hier, mal dort auf. Mail in dieser, mal in jener Gestalt. Und dann verschwinden sie wieder im Nichts. Zurück bleibt eine unschuldige «Maschine». Das ist doch der Tatbestand.
Wir können nun diese «Maschine» – in Wirklichkeit ein komplziertes Netzwerk und Informationssystem – natürlich zerstören, ausschalten, löschen – aber was bringt es uns? Treffen wir damit die Cerberaner, wie sie auch etwa genannt werden? Sie sehen selbst, dass das eine rethorische Frage ist. Von dieser Seite her ist unserem gemeinsamen Feind nicht beizukommen. Unsere Methode hat – durchlachtigste Hohheit wird mir darin gewiss beipflichten – einen ganz anderen Ansatzpunkt.
Die Cerberaner sind unberechenbar, aber sie arbeiten mit System. Als Sender bleiben sie zunächst einmal unfassbar, unangreifbar. Ihr Medium – die Mittel, womit sie «arbeiten» – ist aber bekannt. Ich darf mich wiederholen: Sie bedienen sich der von uns erfundenen klaren, logisch aufgebaut sind, ganz selbstverständlich verlassen, und verändern sie für eine gewisse Zeit, indem sie als ein gleichsam Irreales oder Surreales die Gesetze der Logik und Folgerichtigkeit ausser Kraft setzen. Wir wissen leider noch nicht, wie sie das tun. Aber unsre Wissenschaft wird dieses Phänomen sicher mit der Zeit in den Griff (oder vielmehr die Begriffe) bekommen, so, wie sie vor langer Zeit so etwas wie die Relativität von Raum und Zeit, die Quantenphysik etc. in den Griff und die Begriffe zu bekommen hat.
Die Cerberaner treiebn ihre Possen und Kapriolen vielleicht nicht zu einem bestimmten Zweck, aber sicher ist, dass diese einen bestimmten Effekt, und zwar einen für uns äusserst unerwünschten, haben. Wie Sie wissen, versuchen wir die äusserst schwierig und für die Menschheit als Ganzes gar lebensbedrohlich gewordene Situation auf der Welt dadurch zu meistern, dass wir eben dieser Menschheit selbst zu einem auf Logik aufgebauten „Informationssystem“, oder, um das altmodische Bild zu gebrauchen, zu einer perfekt funktionierenden Maschine umzugestalten versuchen. Sie wissen: Genau dies ist das Fernziel unseres genetischen Programms. Wir können es uns heute einfach nicht mehr leisten, die Mneschheit in ihrer altgewohnten Dummheit und primitiven Art vor sich hinwursteln zu lassen – verzeihen Sie meine saloppe Ausdrucksweise. Soll die Menschheit als solche überleben, dann muss sie veredelt werden. So einfach ist das.
Der Effekt des Wirkens der Cerebraner ist doch der, dass er unser Genprojekt durcheinanderbringt. Diese Störung ist verheerend, eine Katastrophe! Das Wirken der Cerberaner bringt das Irreale und Surreale im einzelnen Menschen und in Menschengruppen, aber auch in der Menschheit als grosser Familie, sozusagen, wieder zum Vorschein – nachdem wir es längst überwunden und gebannt glaubten, wieder zum Vorschein. Die Cerberaner sind wie Viren in einem Organismus, die dasImmunsystem des Gesellschaftskörpers lahm legen. Deshalb, Herr Botschafter, sind Mittel des Verteidigungsministeriums, das wir für unser Programm beanspruchen, auch Mitel für die Verteidigung gegen Cerberus. Nur darin können wir die Cerberaner treffen, dass wir unser Menschenmaterial gegen sie immunisieren. Und wir können diese humane Biomasse dadurch gegen sie immunisieren, dass wir unser Programm verbessern. Das Unberechenbare, Herr Botschafter, ist unser wirklicher Feind!»
Herr von Klumpfuss schwieg, beeindruckt und erschöpft von der eigenen Rede. Don Quichotte vermochte nicht so recht Gefallen an ihr zu finden, aber der konnte der Logik des Gesagten nicht widersprechen. Es fehlte ihm jedoch eindeutig das Heroische in der lange Rede kurzem Sinn. Herr von Klumpfuss verfocht im Grunde keinen anderen ethischen Gedanken als den, das nackte Überleben der Menschenrasse als Menschenmasse zu sichern. Das war ihm, zumal er ja Toboser und damit kein Erdling oder Mensch war, zu dürftig, zu mager, Was gingen ihn also die Menschen an? Und waren denn die Menschen ohne ihre Fehler und Mängel, ohne das Primitive an ihnen, als perfekte Teile einer Gesellschaftsmaschine überhaupt noch Menschen? Eine zu komplizierte und zu bedeutungslose Frage für Don Quichotte. Er kämpfte gegen die Cerberaner aus einer Lebenseinstellung heraus. Im Grunde ging es ihm gar nicht darum, sie zu besiegen. So rigoros sind Toboser nicht. Denn für ihre Lebenshaltung brauchen die Toboser die Cerberaner geradezu, ebenso, wie das Licht den Schatten braucht, um Licht zu sein: sonst ist es einfach Leere.
Aber das alles sagte Don Quichotte dem Herrn von Klumpfuss nicht. Herr von Klumpfuss war ein unernbittlicher, ein praktisch denkender Philosoph.
«Ja, ja, Sie haben ja Recht», seufzte Don Quichotte deshalb nur; eigentlich sehnte er sich danach, weiter zu reisen, und bedauerte nur, dass sein Begleiter Sancho, der inzwischen unbemerkt in seinem Harem verschwunden war, offenbar Gefallen an seiner Rolle als der grosse Diktator gefunden hatte. Ausserdem erinnerte er sich gar nicht mehr daran, wo er die Lufthunde gelassen hatte.
«Gerüchte, Herr Botschafter von Toboso, Gerüchte», meinte Herr von Bockfuss cool. «Ich will ja nicht bestreiten, dass die Cerbereaner nach wie vor in einem gewissen Grad aktiv sind. Und sie können uns glauben, dass wir – allerdings auf unsere Weise – alles tun, um sie unschädlich zu machen.
Die Cerberaner Sind, sie sagen es selbst, verdammt geschickt darin, sich zu tarnen. Wie aus dem Nichts tauchen sie mal hier, mal dort auf. Mail in dieser, mal in jener Gestalt. Und dann verschwinden sie wieder im Nichts. Zurück bleibt eine unschuldige «Maschine». Das ist doch der Tatbestand.
Wir können nun diese «Maschine» – in Wirklichkeit ein komplziertes Netzwerk und Informationssystem – natürlich zerstören, ausschalten, löschen – aber was bringt es uns? Treffen wir damit die Cerberaner, wie sie auch etwa genannt werden? Sie sehen selbst, dass das eine rethorische Frage ist. Von dieser Seite her ist unserem gemeinsamen Feind nicht beizukommen. Unsere Methode hat – durchlachtigste Hohheit wird mir darin gewiss beipflichten – einen ganz anderen Ansatzpunkt.
Die Cerberaner sind unberechenbar, aber sie arbeiten mit System. Als Sender bleiben sie zunächst einmal unfassbar, unangreifbar. Ihr Medium – die Mittel, womit sie «arbeiten» – ist aber bekannt. Ich darf mich wiederholen: Sie bedienen sich der von uns erfundenen klaren, logisch aufgebaut sind, ganz selbstverständlich verlassen, und verändern sie für eine gewisse Zeit, indem sie als ein gleichsam Irreales oder Surreales die Gesetze der Logik und Folgerichtigkeit ausser Kraft setzen. Wir wissen leider noch nicht, wie sie das tun. Aber unsre Wissenschaft wird dieses Phänomen sicher mit der Zeit in den Griff (oder vielmehr die Begriffe) bekommen, so, wie sie vor langer Zeit so etwas wie die Relativität von Raum und Zeit, die Quantenphysik etc. in den Griff und die Begriffe zu bekommen hat.
Die Cerberaner treiebn ihre Possen und Kapriolen vielleicht nicht zu einem bestimmten Zweck, aber sicher ist, dass diese einen bestimmten Effekt, und zwar einen für uns äusserst unerwünschten, haben. Wie Sie wissen, versuchen wir die äusserst schwierig und für die Menschheit als Ganzes gar lebensbedrohlich gewordene Situation auf der Welt dadurch zu meistern, dass wir eben dieser Menschheit selbst zu einem auf Logik aufgebauten „Informationssystem“, oder, um das altmodische Bild zu gebrauchen, zu einer perfekt funktionierenden Maschine umzugestalten versuchen. Sie wissen: Genau dies ist das Fernziel unseres genetischen Programms. Wir können es uns heute einfach nicht mehr leisten, die Mneschheit in ihrer altgewohnten Dummheit und primitiven Art vor sich hinwursteln zu lassen – verzeihen Sie meine saloppe Ausdrucksweise. Soll die Menschheit als solche überleben, dann muss sie veredelt werden. So einfach ist das.
Der Effekt des Wirkens der Cerebraner ist doch der, dass er unser Genprojekt durcheinanderbringt. Diese Störung ist verheerend, eine Katastrophe! Das Wirken der Cerberaner bringt das Irreale und Surreale im einzelnen Menschen und in Menschengruppen, aber auch in der Menschheit als grosser Familie, sozusagen, wieder zum Vorschein – nachdem wir es längst überwunden und gebannt glaubten, wieder zum Vorschein. Die Cerberaner sind wie Viren in einem Organismus, die dasImmunsystem des Gesellschaftskörpers lahm legen. Deshalb, Herr Botschafter, sind Mittel des Verteidigungsministeriums, das wir für unser Programm beanspruchen, auch Mitel für die Verteidigung gegen Cerberus. Nur darin können wir die Cerberaner treffen, dass wir unser Menschenmaterial gegen sie immunisieren. Und wir können diese humane Biomasse dadurch gegen sie immunisieren, dass wir unser Programm verbessern. Das Unberechenbare, Herr Botschafter, ist unser wirklicher Feind!»
Herr von Klumpfuss schwieg, beeindruckt und erschöpft von der eigenen Rede. Don Quichotte vermochte nicht so recht Gefallen an ihr zu finden, aber der konnte der Logik des Gesagten nicht widersprechen. Es fehlte ihm jedoch eindeutig das Heroische in der lange Rede kurzem Sinn. Herr von Klumpfuss verfocht im Grunde keinen anderen ethischen Gedanken als den, das nackte Überleben der Menschenrasse als Menschenmasse zu sichern. Das war ihm, zumal er ja Toboser und damit kein Erdling oder Mensch war, zu dürftig, zu mager, Was gingen ihn also die Menschen an? Und waren denn die Menschen ohne ihre Fehler und Mängel, ohne das Primitive an ihnen, als perfekte Teile einer Gesellschaftsmaschine überhaupt noch Menschen? Eine zu komplizierte und zu bedeutungslose Frage für Don Quichotte. Er kämpfte gegen die Cerberaner aus einer Lebenseinstellung heraus. Im Grunde ging es ihm gar nicht darum, sie zu besiegen. So rigoros sind Toboser nicht. Denn für ihre Lebenshaltung brauchen die Toboser die Cerberaner geradezu, ebenso, wie das Licht den Schatten braucht, um Licht zu sein: sonst ist es einfach Leere.
Aber das alles sagte Don Quichotte dem Herrn von Klumpfuss nicht. Herr von Klumpfuss war ein unernbittlicher, ein praktisch denkender Philosoph.
«Ja, ja, Sie haben ja Recht», seufzte Don Quichotte deshalb nur; eigentlich sehnte er sich danach, weiter zu reisen, und bedauerte nur, dass sein Begleiter Sancho, der inzwischen unbemerkt in seinem Harem verschwunden war, offenbar Gefallen an seiner Rolle als der grosse Diktator gefunden hatte. Ausserdem erinnerte er sich gar nicht mehr daran, wo er die Lufthunde gelassen hatte.
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